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Französische Gendarmen in Gardestellung vor dem binnen nur weniger Tage im Dorf Le Vernet, unweit der Absturzstelle, aufgestellten Gedenkstein für die Todesopfer.

foto: reuters/pelissier

Zuerst war Andreas L., der den Germanwings-Airbus nach derzeitigen Erkenntnissen absichtlich abstürzen hat lassen, in den Zeitungen ein abgekürzter Name und ein gepixeltes Foto. Doch bald gingen die meisten deutschen Medien – darunter seriöse – dazu über, den vollen Nachnamen zu nennen und auch das Gesicht des jungen Mannes groß zu zeigen.

Der "Spiegel" hat kein Problem damit, ein Babyfoto von Andreas L. zu veröffentlichen. Dass es in vielen Redaktionen Debatten gegeben haben dürfte, vermutet man bei der Lektüre der "Süddeutschen Zeitung". Am Samstag, auf Seite eins, nannte sie zunächst den vollen Namen und kürzte ihn ein paar Zeilen später wieder ab.

Erklärung für die Leser

Viele Blätter liefern ihren Leserinnen und Lesern auch eine Erklärung für ihre Entscheidung. Der Tenor: Man habe sich das alles gut überlegt, aber Andreas L. sei nun eine "Person der Zeitgeschichte". Auf der Website der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt Mathias Müller von Blumencron, der Chefredakteur für die digitalen Produkte: "Die Opfer und die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer das Unglück ausgelöst hat."

Die "Welt" hingegen schließt sich dem nicht an. Ihr Chefredakteur Jan Eric Peters lässt verpixeln und den Namen abkürzen – auch wenn das "vielleicht ein bisschen altmodisch erscheint", wie er erklärt.

ÖJC für Verpixeln

Dem Deutschen Presserat liegen bereits mehr als 200 Beschwerden zur Berichterstattung vor. Kai Biermann von "Zeit online" hat sich selbst angezeigt, um überprüfen zu lassen, ob er mit der Namensnennung gegen den Pressekodex verstößt. Der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) forderte am Sonntag, "die Würde der Opfer und des mutmaßlichen Täters zu gewährleisten" – unter anderem durch Verpixeln von Fotos und Videos.

Außerhalb des deutschsprachigen Raums verläuft die Debatte über die Identitätsenthüllung ganz anders – nämlich gar nicht. Internationalen Medien wie "New York Times", "Guardian", "Repubblica" oder "Le Figaro" nennen den Namen und zeigen Bilder des Piloten. Auch gaben sie die Enthüllungen des französischen Staatsanwalts Brice Robin ungefiltert wieder. Die Namen der "Charlie Hebdo"-Attentäter hatten die Pariser Behörden auch sofort genannt.

Medienrecht als Grund

Eine Erklärung für das unterschiedliche Verhalten liegt im Medienrecht. Angehörigen fiele es schwerer, eine persönliche Betroffenheit und damit eine Verletzung der Personenrechte in den USA oder auch nur in Spanien geltend zu machen. (Birgit Baumann aus Berlin Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 30.3.2015)