Marlies Gruber: Mut zum Genuss. edition a 2015, 172 Seiten, 19,95 Euro

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Es gibt Bücher mit Kalkül: Dass Abnehmen keine leichte Sache ist, wissen Übergewichtige ziemlich genau. Umso verführerischer scheint der Buchtitel "Mut zum Genuss. Warum uns das gute Leben gesund und glücklich macht" der österreichischen Ernährungswissenschaftlerin Marlies Gruber. Als Leiterin des Forums Ernährung ist sie keine Unbekannte in der Szene und ganz offensichtlich hat sie sich ihre persönliche Einstellung zum Essen von der Seele geschrieben. Das Wort "Genuss" steht im Zentrum allen Denkens.

Gruber geht es philosophisch an und nimmt ihre Leser mit auf eine Reise durch so ziemlich alles, was Nahrungsmittel betrifft. Wie leben wir? Was essen wir? Was vertragen wir, was nicht? Die Autorin breitet alles Wesentliche zum Thema sehr verständlich und leichtfüßig aus, mischt Studien, Fakten und Anekdoten, und wer sich bislang überhaupt nicht mit Essen auseinandergesetzt hat, bekommt einen ganz guten Überblick.

Einfach nur langsam essen

Natürlich nimmt das Thema Gesundheit einen großen Raum ein. Wer nur genießt, so wird im Laufe des Buches vermittelt, wird ganz automatisch seine Kilos los. Wie das geht oder besser gesagt, gelernt werden kann, wird wortreich geschildert. Achtsamkeitstraining, Feintuning der Sinne, und Selbstfürsorge sind die treibenden Kräfte, wenn es darum geht, sich wohlzufühlen. Und wer sich wohlfühlt, entscheidet sich für gesunde, lokale Nahrungsmittel. Das Wort "Genuss" wird dabei inflationär verwendet – es gibt kaum eine Buchseite, auf der es nicht mehrmals vorkommt.

Was einen dabei stören kann: Gruber tut so, als ob Essen immer eine rationale Entscheidung wäre (was es nicht ist) und Selbstbestimmtheit für Menschen in schwierigen Lebenslagen tatsächlich eine realistische Lösung wäre. Dass für eine gesunde Ernährung auch Geld, Zeit und Stress treibende Faktoren sind, wird als individuell beeinflussbar dargestellt.

Zusätzlich irritiert, dass die Autorin sämtlichen Arten von Nahrungsmitteln scheinbar überaus positiv gegenüber steht, auch jenen aus der Nahrungsmittelindustrie, ja sogar Energy Drinks. Schön, wenn sie selbst mit diesen Kalorienbomben gut zurechtkommt, die meisten übergewichtigen Menschen haben gerade Schwierigkeiten mit dem Überangebot an Fett, Kohlenhydraten und Zucker Maß zu halten.

Selbstzweck als Motiv

"Mut zum Genuss" ist zwar nicht als Buch zum Abnehmen deklariert, schlägt mit seinem Inhalt aber genau in diese Kerbe. Gruber geht das Thema nur positiv und lustbetont an, der Buchtitel soll die Angst vor Verzicht nehmen. Einen Versuch mag es Wert sein - bewundernswert, wem der Traum vom Normalgewicht mit dieser Anleitung tatsächlich gelingt.

Es drängt sich beim Lesen mancher Passagen nur eben manchmal der Gedanke auf, dass dieses Buch vielleicht mit dem Hintergrund von Eigen-PR geschrieben wurde. Als kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung ist die Lektüre aber allemal wert. (Karin Pollack, derStandard.at, 30.3.2015)