Abseits von SPÖ und ÖVP tun sich die Grünen extrem schwer, einen Partner zu finden. Koalitionen, an denen auch die FPÖ beteiligt ist, gelten als Tabu, andere Konstellationen auf Gemeindeebene haben für heftige Diskussionen und Verstimmung gesorgt. Vor zwei Wochen kehrte in Wiener Neustadt etwa ein grüner Gemeinderat seiner Partei den Rücken. Matija Tunjic sah in der "bunten Koalition" einen Verrat.
Um die SPÖ nach siebzig Jahren vom Bürgermeistersessel in Wiener Neustadt zu drängen, schloss die ÖVP mit FPÖ, Grünen, Liste Haberler und Liste Sluka ein Bündnis. "Ausgerechnet die Grünen, die sich so gern als moralische Instanz aufspielen, nutzen die erstbeste Gelegenheit und machen den Steigbügelhalter für die Blauen", wetterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos.
Laut VP-Bürgermeister Klaus Schneeberger existiere "kein Koalitionsvertrag" - lediglich Vereinbarungen zwischen den einzelnen Fraktionen mit der ÖVP. "Das ist Haarspalterei", sagt Politologe Thomas Hofer. "Man versucht sich zu rechtfertigen, wieso das Bündnis nicht wirklich echt und rein sachpolitisch ist." Auch parteiintern hagelte es bei den Grünen Kritik: "Es steht euch nicht zu, mit eurer Aktion die Glaubwürdigkeit der Grünen im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und FPÖ infrage zu stellen", zeigt sich der Wiener Gemeinderat Martin Margulies entrüstet. Matija Tunjic weigerte sich, der "bunten" Zusammenarbeit in Wiener Neustadt zuzustimmen, und wurde von den Grünen aus der Partei ausgeschlossen. Tunjic ist nun parteiloser Gemeinderat, denn Parteilosigkeit sei "der einzige Weg gewesen, weiterhin seriöse Politik zu betreiben".
Der letzte blaue Ausweg
Nach dem Wirbel in Wiener Neustadt machten die Grünen in Stockerau just eine Kehrtwende und brachen die Verhandlungen mit ÖVP und FPÖ ab. "Eine Zusammenarbeit in dieser Konstellation hätte unsere Gruppe zerstört", sagt Andreas Straka von den Grünen. Ein neuer Kooperationspartner für die Freiheitlichen war rasch gefunden – diesmal ebneten die Sozialdemokraten den Weg. Robert Laimer von der SPÖ sieht im rot-blauen Bündnis "keinen Sündenfall" und keinen Bruch mit der Bundeslinie. Es handle sich nur um ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ.
"Es war die einzige Möglichkeit", nachdem die ÖVP nicht wollte und die Grünen ausschieden", sagt Laimer. Politologe Hofer ortet eine Gratwanderung. "Die Gefahr ist, dass man eine eigens aufgesetzte Konstante unterläuft. Auch wenn man betont, dass die Freiheitlichen in einem Ort ganz anders sind als die anderen, zählt die Symbolik."
Schlagabtausch
Anfang März echauffierte sich Monika Hobek-Zimmermann, von den Grünen Guntramsdorf über eine angedachte Kooperation von "Schwarz-Blau-Pink". Es sei unverständlich, wie die Neos "einen Pakt mit der Höbart-FPÖ eingehen können". Christian Höbart (FPÖ) setzte Asylanten mit Erd- und Höhlenmenschen gleich. Die Neos ruderten in letzter Minute zurück und einigten sich auf eine Kooperation mit der SPÖ und den Grünen. "Die FPÖ genießt es, wenn sich anderen Parteien daran reiben, mit ihr gemeinsame Sache zu machen", analysiert Hofer, "Aber um eine sachliche, legitimierte, seriöse Kanzlerkandidatur durchzukriegen, braucht die FPÖ wieder den Nachweis, dass sie regieren kann."
Ungeachtet aller politischen Ideologien wollte man in Fohnsdorf im steirischen Bezirk Murtal mit einer Mehrheitsplattform einen Vorstoß wagen. "Auf Gemeindeebene geht es ja nicht um Ideologie, sondern um die Sache", sagt Dominik Wildbolz von der hiesigen ÖVP. Deshalb wolle man gemeinsam einen Bürgermeister wählen. Die Grünen wurden fünf Tage später bei der Gemeinderatswahl abgestraft, bekamen lediglich 165 Stimmen und flogen aus dem Gemeinderat. Als klarer Sieger deklariert sich die SPÖ, die als einzige Partei nicht in der Mehrheitsplattform vertreten ist.
(Sophie-Kristin Hausberger, DER STANDARD, 31.3.2015)