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Sie war sehr überschaubar und speziell, diese Gruppe an selbsternannten Vaterlandsverteidigern, die sich am Sonntag in Graz zum Anti-Islam-Spaziergang der Pegida versammelt hatten.

APA/Erwin Scheriau

Wien/Graz - Die Welt kann ja so ungerecht sein, werden da einige in den Reihen der Pegida klagen. Da will man heroisch das Abendland retten, und dann interessieren sich nur ein paar Dutzend Wackere für diesen vermeintlich historischen Auftrag der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida).

Ob in Wien, Linz, Vorarlberg oder am Sonntag in Graz: Jeweils nur ein Häufchen Getreuer hatte sich in den letzten Wochen an den von der deutschen Pegida inspirierten "Spaziergängen" beteiligt. Zudem blieb kaum Platz für ausgedehntes politisches Flanieren: Die Pegida-Auftritte waren von massiven Gegendemonstrationen und ebensolchem Polizeiaufgebot begleitet. "Man kann resümieren: Pegida ist als Projekt in Österreich grandios gescheitert", sagt Benjamin Opratko im Gespräch mit dem Standard. Der Wiener Politikwissenschafter (Forschungsschwerpunkt: Rassismusforschung und Islamfeindlichkeit) widmet sich seit Monaten auch verstärkt der Anti-Islam-Bewegung Pegida.

Die junge politische Bewegung hat für Opratko in Österreich jedenfalls keine Zukunft. Die Ursachen seien evident: Zum einen habe es die Gruppe nie geschafft, über ihre eigene rechtsextreme Klientel hinaus weitere Gesellschaftsschichten zu organisieren. "Es ist ihnen nicht gelungen in die Mitte hineinzuwirken", sagt Benjamin Opratko.

"Einigermaßen ulkig"

Derartige Bewegungen wie Pegida seien zudem darauf angewiesen, in der Öffentlichkeit Stärke zu zeigen. Das sei in den Anfängen in Deutschland durchaus gelungen. In Österreich aber sind die Gegendemonstrationen um ein Vielfaches stärker aufgetreten. Opratko: "Wenn die Pegida-Sympathisanten dann rufen ,Wir sind das Volk, wir sind das Volk', klingt das natürlich einigermaßen ulkig."

Und schließlich sei die Pegida in Österreich auch noch mit dem Platzhirsch in Sachen Anti-Islam konfrontiert: der FPÖ. "Die FPÖ hat auf ihren Fahnen genau das stehen, wofür die Pegida steht. Die FPÖ braucht die Pegida nicht. Es hat schon sein Wahres, wenn Strache sagt: ,Wir sind die wahre Pegida'", sagt Opratko.

Die FPÖ halte sich die Bewegung aber durchaus warm und schicke ganz bewusst Repräsentant wie Martin Graf oder, wie am Sonntag in Graz, Susanne Winter zu den Versammlungen. Als Signal an den eigenen extrem rechten Rand, um zu zeigen, die Partei stehe der Bewegung inhaltlich nahe.

Galionsfigur Stadler

Mittlerweile hat der Österreich-Ableger der Pegida auch eine Galionsfigur: Ex-FPÖ-, BZÖ- und jetziger Rekos-Politiker Ewald Stadler, der demnächst auch öffentlich für die Gruppe sprechen will. "Pegida bemüht sich händeringend um ein bürgerliches Image, da kommen sie auch auf Politiker, die die FPÖ übergelassen hat - wie eben Stadler", sagt Opratko.

Anders als in Österreich war die Pegida in Deutschland wesentlich breiter aufgestellt und auch quer durch Bevölkerungsschichten repräsentativ. Aber, relativiert Opratko: "Es wurde trotzdem überschätzt, weil es letztlich nur ein lokales Phänomen in Dresden war und ist. Pegida hat aber in Deutschland Themen vorgegeben, die bis hinein in die CDU wirken. Das muss man ernst nehmen."

Die österreichischen Rechten hatten jedenfalls Morgenluft geschnuppert, ergänzt Bernhard Weidinger, der an der Universität Wien zu den Themen Rechtsextremismus und neofaschistische Parteien forscht.

Zenit überschritten

"Welch große Bedeutung man der Bewegung beimaß, zeigt sich etwa daran, dass Wiener Burschenschafter, noch bevor Pegida nach Österreich kam, mehrmals nach Dresden fuhren, um dort mit Waffenbrüdern an den Märschen teilzunehmen. Entsprechend ausführlich und wohlwollend wurde Pegida auch in den einschlägigen Medien wie Aula oder Zur Zeit behandelt. Allerdings kann man auch in Deutschland inzwischen kaum mehr übersehen, dass der Zenit der Bewegung überschritten sein dürfte", sagt Politikwissenschafter Bernhard Weidinger.

Grüne schalten Staatsanwaltschaft ein

Die Grazer Grünen haben nach dem Pegida-Auftritt in der Landeshauptstadt jetzt die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. "Wir gehen davon aus, dass bei der Pegida-Demonstration mehrfach gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen wurde. Daher haben wir eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht", sagte die Rechtsanwältin und Vorstandssprecherin der Grazer Grünen, Susanna Ecker. Auf einem Video soll erkennbar sein, dass ein Pegida-Sympathisant die Hand zum "Hitlergruß" erhoben habe.

(Walter Müller, DER STANDARD, 31.3.2015)