In den kommenden zwei Wochen schaut die EU bei der Ausreise genauer in den Reisepass. In der Aktion "Amberlight" wird an EU-Außengrenzen erhoben, wie viele Menschen ihren Aufenthalt unerlaubt verlängern, also mit gültigem Visum eingereist, aber nicht rechtzeitig ausgereist sind. In der Ankündigung der Aktion an die EU-Mitgliedsstaaten war noch von intensivierten Grenzkontrollen die Rede. Jedoch wird vonseiten der lettischen Koordination betont, dass nur anonymisierte Daten gesammelt, nicht jedoch stärker kontrolliert werden soll. In Österreich ist der Grenzübergang am Flughafen Wien-Schwechat Teil der Aktion.

Laut Grenzschutzagentur Frontex entziehen sich sogenannte "Overstayers" Strafen, indem sie über ein anderes Schengenland ausreisen. Auch seien die Sanktionen gegen Menschen, die länger geblieben sind, nicht einheitlich. Die jetzt durchgeführte Aktion soll dabei helfen, die Strafen zu vereinheitlichen.

"Smart Borders" sollen Reisende kontrollieren

Geht es nach der EU-Kommission, sollen Daten, wie sie während der Aktion Amberlight gesammelt werden, im Rahmen des "Smart Borders"-Pakets europaweit verfügbar werden. In dem aus dem Jahr 2013 stammenden Entwurf werden zwei Systeme gefordert: Ein Entry-Exit-System soll Ein- und Ausreisen von Bürgern aus Nicht-EU-Ländern registrieren. Damit kann automatisch ermittelt werden, wie viele Menschen sich mit abgelaufenem Visum in Europa befinden. Ein Registered Travellers Programme soll Vielreisenden ähnlich wie in den USA die Möglichkeit bieten, sich einmalig strengeren Kontrollen zu unterwerfen, um danach schneller durch Grenzkontrollen zu kommen.

In beiden Systemen sollen neben personenbezogenen Daten auch biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke oder geeignete Fotografien abgespeichert werden. Für sechs Monate bis fünf Jahre sollen die Daten erhalten bleiben. Fünf Jahre lang allerdings nur, sollte keine Ausreise registriert werden. Die Kosten für die Einführung und den Betrieb dieser Programme in den ersten sieben Jahren wurden in einem von der EU-Kommission beauftragten Bericht auf über 550 Millionen Euro geschätzt.

EU-Parlament und Datenschutzbeauftragte kritisieren das Vorhaben

Der Weg bis zur Einführung "intelligenter Grenzen" ist noch weit: Im Moment liegt der Entwurf beim EU-Parlament. Tanja Fajon, Berichterstatterin zu "Smart Borders" im EU-Parlament, bezweifelt, dass diese überhaupt notwendig sind: "Die vagen Entwürfe werden ein weiteres teures und nicht angemessenes Werkzeug zur Bekämpfung von Zuwanderung und Terrorismus." Der uneingeschränkte Zugriff von Behörden auf die Daten sei ein Problem. "Die Kommission hat die Notwendigkeit solcher Systeme nicht nachgewiesen", so Fajon.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte bezeichnete das Entry-Exit-System, wie es im derzeitigen Entwurf vorgesehen ist, als unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre. Auch seien für die bloße Erhebung von Statistiken keine personenbezogenen Daten notwendig.

Nach der Kritik hat die Kommission angekündigt, den derzeitigen Entwurf zurückzuziehen und Anfang 2016 einen neuen vorzulegen. Dieser soll auf die Kritik des Europaparlaments eingehen.

Wie es mit dem Entwurf weitergeht

Ein Pilotprojekt soll zusätzlich Klarheit schaffen: Mit einem Budget von 3,5 Millionen Euro werden von März bis September 2015 Systeme und Abläufe getestet. Als erster Flughafen wurde Lissabon mit automatischen Grenzkontrollen für Angehörige von Drittstaten ausgestattet. An insgesamt 17 Standorten in zwölf Mitgliedsstaaten sollen verschiedenste Systeme und Abläufe getestet werden.

Trotz der anstehenden Überarbeitung der Entwürfe soll das "Smart Borders"-Paket noch dem alten Zeitplan folgen: Dieser sah vor, dass die Ausstattung der Grenzen für die neuen Systeme bis 2020 abgeschlossen sein muss. Soll dieser Zeitplan eingehalten werden, müssen Kommission, Rat und Parlament auf Hochdruck arbeiten. Grund für die Eile: Das Geld für die Errichtung wurde schon reserviert. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist fraglich. Zumindest Fajon hat ihren Widerstand angekündigt: "Ich will nicht zusehen, wie Europa eine Festung mit automatisierten Robotergrenzen wird." (mba, derStandard.at, 31.3.2015)