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Die detaillierte Reformliste aus Athen lässt weiter auf sich warten.

Foto: Reuters/Kostas Tsironis

Athen – Der linke griechische Regierungschef Alexis Tsipras will in der Schuldenkrise einen "ehrenhaften Kompromiss" mit den Geldgebern erreichen. Zugleich bekräftigte er am Montag im Parlament in Athen, die Sparprogramme würden wie im Wahlkampf versprochen beendet. Dies sei notwendig, damit die Wirtschaft wieder wachsen könne. Die Regierung in Athen sei entschlossen, Reformen durchzusetzen. Diese dürften aber nicht zu "Massenentlassungen, Lohnkürzungen sowie Schließungen von Krankenhäusern und Universitäten" führen, sagte Tsipras.

Der Chef der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) und frühere Regierungschef Antonis Samaras entgegnete, seine Regierung habe das Land bis zur Wahlniederlage am 25. Jänner auf Kurs gebracht. Griechenland hätte eigentlich jetzt schon wieder an die Finanzmärkte zurückkehren können, wenn er an der Regierung geblieben wäre, sagte Samaras. Tsipras warf er Tatenlosigkeit vor: "Sie haben noch nicht einmal die Reformliste offiziell veröffentlicht, die Sie den Geldgebern vorgelegt haben."

Engere Zusammenarbeit mit Russland

Athen rechnet indes schon bald mit einer Einigung. Der stellvertretende griechische Finanzminister, Dimitris Mardas, sagte am Dienstag im griechischen Fernsehen: "Mein Gefühl ist, wir haben sie (die Kontrolleure) überzeugt... Ich rechne mit einer Einigung schon morgen oder übermorgen."

Tsipras wiederun kündigte eine engere Zusammenarbeit seines Landes mit Russland an. Nach einem früher "frostigen Verhältnis" strebe er in den bilateralen Beziehungen einen "Frühling" an, sagte Tsipras in einem am Dienstag in Moskau veröffentlichten Interview der russischen Agentur Tass. Die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Ukrainekonflikts bezeichnete er als "Sackgasse". Die griechische Vorgängerregierung habe sich zwar den "sinnlosen" Maßnahmen angeschlossen. Der EU-Spitze habe er aber gesagt, dass diese Position sich ändern könne.

Hilfszusagungen

Tsipras bezeichnete Russland als untrennbaren Teil der europäischen Sicherheitsstruktur. Russen und Griechen seien enge Verbündete. "Unsere Nationen hatten brüderliche Beziehungen geschmiedet, als sie in einem kritischen historischen Augenblick einen gemeinsamen Kampf führten", sagte der Regierungschef mit Verweis auf den Widerstand gegen Nazi-Deutschland. Tsipras regte eine engere Kooperation seiner Regierung mit Moskau im Energiebereich und in der Landwirtschaft an.

Russland hatte der neuen griechischen Regierung Hilfe zugesagt. Sollte Athen um Unterstützung bitten, werde Moskau dies prüfen, hatte Außenminister Sergej Lawrow vor kurzem gesagt. Berichten zufolge könnte Athen am 9. April das Geld ausgehen. Einen Tag zuvor ist Tsipras in Moskau.

Kanzlerin Merkel will Brücken bauen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel baut den Griechen unterdessen im eskalierenden Reformstreit mit der Eurozone Brücken. Die CDU-Chefin betonte in Helsinki die Flexibilität bei der Umsetzung von Sparvorgaben. Am Ende müsse aber das Ergebnis stimmen. Eine von der Regierung in Athen für bis spätestens Montag versprochene detaillierte Liste mit Reformvorschlägen ließ weiter auf sich warten. Die bisherige Aufstellung reicht der Bundesregierung für neue Hilfe nicht aus.

Griechenland ringt seit Wochen mit seinen Gläubigern um den künftigen Reformkurs. Eine Liste mit Vorschlägen für Änderungen an den bisher vereinbarten Reformen soll Basis sein für die Auszahlung weiterer Hilfen aus dem Rettungspaket der Eurozone und des IWF. Insgesamt geht es um 7,2 Milliarden Euro aus dem Ende Juni endenden Hilfspaket von 240 Milliarden Euro. Das Land braucht Geld, um Schulden zu bedienen und Löhne und Gehälter zu zahlen. Ohne die Überweisung droht im April die Staatspleite.

Variationen

Merkel sagte bei einem Besuch in Helsinki: "Welche Maßnahmen eine Regierung ergreift, dazu kann es Variationen geben." Der Gesamtrahmen müsse aber stimmen und die Finanzstabilität wiederhergestellt werden. Griechenland habe sich dazu verpflichtet, die Reformen fortzusetzen, sagte Merkel. Vor einer Entscheidung über weitere Geldzahlungen müssten die Beratungen Griechenlands mit den drei Institutionen (Troika) abgewartet werden. Auf dieser Basis werde die Eurogruppe dann eine Entscheidung fällen. Dass dies ein längerer Prozess der Diskussion sei, wundere sie nicht. Dies sei auch bei Portugal, Irland und Spanien der Fall gewesen.

Geplante Privatisierungen

Die griechische Regierung hatte den Institutionen am Freitag Vorschläge gemacht und über das Wochenende mit ihnen darüber beraten. Ein Regierungsvertreter in Athen sagte, unter anderem werde angestrebt, im heurigen Jahr 1,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Staatseigentum einzunehmen. Bisher waren 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Frühverrentungen sollten reduziert, eine Anhebung der Mehrwertsteuer im Tourismusbereich solle aber vermieden werden. Einen Erfolg vermeldete Tsipras aus dem neuen Gesetz zur Vereinfachung der Nachzahlung von Steuerschulden. Dies habe innerhalb einer Woche bereits 100 Millionen Euro in die Staatskasse gespült.

"Frechheit"

EU-Parlamentsvizepräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sprach im Deutschlandfunk von vagen Vorschlägen in griechischer Sprache auf einem mobilen Computer. Dies sei eine "Frechheit". Auf dieser Basis könne man keine Hilfe freigeben. Notfalls müsse man einen Euroaustritt hinnehmen, wenn die Regierung keine Aufstellung mit glaubhaften Vorhaben vorlege.

Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger, sagte, eine offizielle und umfassende Reformliste liege nicht vor: "Der Ball ist und bleibt im Spielfeld der griechischen Seite." Ein Sprecher der EU-Kommission schloss nicht aus, dass sich noch in dieser Woche die Eurogruppe auf Ebene der Staatssekretäre mit den griechischen Plänen befassen wird.

Moscovici will Griechenland weiter im Euro

Auch EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici hat sich am Montag erneut zu Wort gemeldet und klar für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone ausgesprochen. Am Rande der Sondersitzung des Europäischen Parlaments zu "Lux Leaks" sagte Moscovici, der Verbleib Athens sei "von großer Bedeutung".

Unabhängig von der Regierung, die Griechenland gerade habe, "kann ich sagen, dass ich für die Mitgliedschaft des Landes in der Eurozone bin".

Moscovici betonte gleichzeitig, dass Athen seine Verpflichtungen erfüllen müsse und "die Fristen bald auslaufen". (APA/Reuters, 31.3.2015)