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Um die Bergung der Opfer zu ermöglichen, werden provisorische Wege und Straßen errichtet.

Foto: AP/Claude Paris

Düsseldorf/Seyne-les-Alpes – Die Suche nach Opfern des Germanwings-Absturzes ist am Dienstag in den französischen Alpen fortgesetzt worden. Die Arbeiten waren über Nacht unterbrochen worden. Die Retter konzentrieren sich nach Angaben der Gendarmerie neben der Bergung der Leichen auf die Suche nach dem Flugdatenschreiber des vor einer Woche abgestürzten Flugzeugs.

Weg für Geländewagen

Die Daten sollen weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Airbus vor dem Absturz liefern. Zu der schwer zugänglichen Unfallstelle wird weiter ein Weg für Geländewagen geschaffen, um schweres Bergungsgerät in das Gebiet bringen zu können. Auf diese Weise sollen die Teams auch dann zur Absturzstelle gebracht werden können, wenn Hubschrauber wegen schlechter Witterungsbedingungen nicht eingesetzt werden können.

Bisher haben die Ermittler "mehr als 4.000 Teile" von der Unglücksstelle zurückgebracht, wie die Polizei weiter mitteilte. Die Experten sollten ihre Arbeiten bis zum 8. April abschließen, danach solle eine von der Lufthansa bezahlte Privatfirma den Absturzort reinigen.

Bis zu vier Monate

Die Identifizierung der Opfer könne mindestens zwei bis vier Monate dauern, sagte der Leiter des zuständigen Kriminalinstituts, Francois Daoust, in Pontoise bei Paris - mit ungewissem Ausgang. "Wir können nicht versprechen, dass alle Opfer identifiziert werden können", sagte er. Die Maschine sei mit großer Geschwindigkeit aufgeprallt. Am Dienstag war DNA von 78 Insassen der Maschine isoliert.

Lufthansa: Kosten bei 300 Millionen Dollar

Eine Woche nach dem Absturz hat ein Versicherungskonsortium um die deutsche Allianz 300 Millionen Dollar (277 Millionen Euro) Kosten veranschlagt. "Ich kann bestätigen, dass 300 Millionen Dollar zurückgestellt worden sind", sagte eine Sprecherin der Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa am Dienstag in Frankfurt am Main.

Sie bestätigte damit einen Bericht des "Handelsblatts". Bei dem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen waren vor einer Woche 150 Menschen ums Leben gekommen. Der Copilot des Germanwings-Airbus, Andreas L., steht im Verdacht, die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht zu haben.

Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht

In Deutschland ist unterdessen eine Diskussion über die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für sensible Berufe wie Piloten entbrannt. Der Präsident der deutschen Psychotherapeutenkammer, Rainer Richter, lehnt eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht ab. "Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem", sagte Richter der Deutschen Presse-Agentur. "Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet."

Eine Lockerung der Schweigepflicht für bestimmte Berufe mit hohem Berufsrisiko könnte nach Ansicht des Psychotherapeuten Richter derartige Katastrophen nicht verhindern. Das Problem sei "die grundsätzliche Schwierigkeit, bei einem Menschen die Absicht, sich und insbesondere Dritte zu schädigen, verlässlich zu erkennen und die Ernsthaftigkeit einzuschätzen". Auch eine Jahre zurückliegende Behandlung einer Depression lasse eine Vorhersage einer späteren Suizidgefährdung nicht zu.

"Keine Ahnung von Materie"

Die Vereinigung Cockpit ist klar gegen eine Lockerung der Schweigepflicht im Fall von Piloten. "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", sagte der Präsident der Pilotengewerkschaft, Ilja Schulz, der "Rheinischen Post" vom Dienstag. "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vor dem Fluglizenzentzug mitschwingt", so Schulz. "Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."

Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, forderte im "Tagesspiegel" vom Dienstag sehr wohl eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen. "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren", argumentierte er. Das könne etwa das Gesundheitsamt sein. Das Gleiche gelte für Seuchen.

"Hohes Gut"

Deutsche Regierungspolitiker lehnten eine Lockerung im "Handelsblatt" vom Dienstag ab. Der Sozialdemokrat Karl Lauterbach, selbst Arzt, sagte: "Auch heute schon können Ärzte im Rahmen eines rechtfertigenden Notstands den Arbeitgeber informieren, wenn sie fürchten müssen, dass vom Patienten Gefahr für Leib und Leben anderer ausgeht." Jens Spahn von der CDU sagte der "Rheinischen Post" vom Dienstag: "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut. (...) Ich kann nur davor warnen, hier aus spekulativen Annahmen heraus mit Schnellschüssen zu kommen." (APA, dpa, 31.3.2015)