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Trauer am Flughafen Düsseldorf. Es ist psychologisch wichtig, Antworten zu haben, dann sind so schreckliche Ereignisse wie der Absturz der Germanwings-Maschine besser einzuordnen und zu verarbeiten.

Foto: AP/Martin Meissner

Der Absturz der Germanwings-Maschine ist zweifellos eine furchtbare Tragödie. Den Angehörigen und nahen Bezugspersonen gilt unser Mitgefühl. Natürlich hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Information. Es ist psychologisch wichtig, für uns Antworten zu haben, dann sind so schreckliche Ereignisse besser einzuordnen und zu verarbeiten. Besonders beim Thema Fliegen, bei dem die meisten von uns durch die gefühlte Ohnmacht im vorgestellten Ernstfall besondere Sensibilität zeigen oder Ängste entwickeln.

Wir wissen derzeit vieles nicht

Gerade auch deshalb ist ein Teil der Berichterstattung äußerst kritisch zu sehen. Wilde Spekulationen ohne ausreichend gesicherte Tatsachen in Printmedien, Online und an den Fernsehschirmen. Auch Fachkollegen geraten in Verdacht. Alles weist auf eine schwer gestörte Persönlichkeit hin, ist da beispielsweise zu lesen. Falsch zitiert, erhebt sich da die Frage? Wohltuend die umsichtige Stellungnahme von Psychiaterin Adelheid Kastner, die es auf den Punkt bringt: Wir wissen derzeit vieles nicht. Es ist offensichtlich gesichert, dass der Copilot an einer depressiven Störung litt. Im Einzelfall kommen eine Vielzahl von Faktoren, krankheits-, persönlichkeits- und situationsbezogen, zusammen. Der umsichtigen Berichterstattung des STANDARD und auch anderer Medien ist dabei hoher Respekt zu zollen.

Nur mit Umsicht wird eine Annäherung an die "Wahrheit" gelingen. Ein Teil bleibt immer offen.

Rasche Entscheidungen sind psychologisch wichtig

Man wird sich die geübte Praxis hinsichtlich dem Erkennen von speziellen Risiken bei Menschen mit besonderer Verantwortung, wie eben Piloten, genau anschauen müssen, verbunden mit der Frage nach möglichen sinnvollen Verbesserungen. Rasche Entscheidungen wie die Einführung des Vieraugenprinzips sind psychologisch wichtig, dabei darf es jedoch nicht bleiben.

Enttabuisierung psychischer Erkrankungen

Ganz wichtig für die Zukunft ist die weitere Enttabuisierung psychischer Erkrankungen. Wer sich nicht schämt, nicht Angst vor Ausgrenzung haben muss, wird eher bereit sein, darüber zu sprechen, sich behandeln zu lassen, und sich mit Fragen eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Erkrankung auseinandersetzen. Das ist die Voraussetzung, dass Risiken für Suizidhandlungen geringer werden.

In die Seele schauen

Und die oft gestellte Frage ob, und wie weit Psychiater in die Seele des Menschen schauen können, lässt sich eindeutig beantworten.

Sie können es ein Stück weit, und zwar soweit sie die Betroffenen hinein schauen lassen. Das hängt sehr vom Ausmaß einer gelingenden, vertrauensvollen Beziehung ab. Die letzten Winkel unserer Seele jedoch gehören jedem allein. Auch wenn es Patient und Psychiater wollen, wird nie alles sichtbar, erklärbar und verstehbar. (Friedrich Riffer, derStandard.at, 31.3.2015)