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Vojislav Seselj bei einer Pressekonferenz.

Foto: AP/Vojinovic

"Ich gehe da nicht wieder freiwillig hin", sagte Vojislav Seselj nach der jüngsten Entscheidung des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien. Der Berufungssenat hatte am Montag verlautbart, dass Seselj, Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), sofort nach Den Haag und in die Haft zurückkehren müsse.

Vor knapp fünf Monaten hatte ihn das Tribunal - nach zwölf Jahren Haft und ohne Urteil - aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend freigelassen. Angeklagt ist er wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dem Krebskranken wurden keine Bedingungen für seine vorübergehende Freilassung gestellt. Seselj feierte dies als "Sieg" gegenüber dem "politischen, antiserbischen" Tribunal und begann, zurück in Serbien, sofort mit einer scharfen politischen Kampagne in alter Manier: Kroaten seien Faschisten, Serbien würde früher oder später Territorien in Kroatien und Bosnien zurückerobern, die serbische Armee werde wieder in den Kosovo einmarschieren, in der serbischen Regierung säßen lauter Verräter.

"Fertig mit dem Tribunal"

Wegen seiner Hassreden, angeblicher Einschüchterung von Zeugen und wegen des Protests von Nachbarstaaten will das Tribunal nun seine Freilassung überprüfen. Doch diesmal möchte sich Seselj nicht wie 2003 freiwillig stellen. Er sei nämlich "fertig mit dem Tribunal".

Nun warte er gespannt, wie ihn Ministerpräsident Aleksandar Vucic und Staatspräsident Tomislav Nikolic festnehmen wollen, sagte der Radikalenführer provokativ. Beiden war Seselj einst politischer Ziehvater in der ultranationalistischen SRS. Vor sieben Jahren wandten sich Nikolic und Vucic jedoch von ihm ab, gründeten die proeuropäische Serbische Fortschrittspartei (SNS) und gewannen bei Parlamentswahlen die absolute Mehrheit.

"Es wird keine einfache Angelegenheit sein, mich zu verhaften", spottete Seselj. In einem Interview für die Boulevardzeitung Alo behauptete er, die serbische Regierung stehe hinter der jüngsten Entwicklung, weil sie Angst vor ihm hätte. Seine Partei läge in Umfragen bei über 20 Prozent, bald stünden Wahlen in der Vojvodina und vielleicht auch vorgezogene Wahlen in Serbien bevor.

Kritik von Regierungsseite

Auch die serbische Regierung in Belgrad macht für das Schlamassel mit Seselj das Haager Tribunal verantwortlich, das ihn zuerst bedingungslos freigelassen hatte und jetzt seine neuerliche Verhaftung fordert. In beiden Fällen sei die Regierung Serbiens nicht einmal konsultiert worden, heißt es.

Ministerpräident Vucic sieht eine gegen ihn gerichtete Verschwörung. Jemand wolle die serbische Regierung "wegen ihrer Politik bestrafen", sagte Vucic, ohne allerdings genauer zu erläutern, wer genau ihn schädigen wollte. Die Entscheidung des Tribunals brachte er in Zusammenhang mit seiner Rede zum sechzehnten Jahrestag der Nato-Luftangriffe auf Serbien, in der er das Bombardement als "Aggression" bezeichnete.

Auch Serbiens Außenminister Ivica Dacic bezeichnete den Beschluss des Tribunals als "skandalös" und "unmoralisch". Er würde Serbien und die Region destabilisieren, meinte Dacic.

Seselj genießt das Theater, in dem er wieder einmal die Hauptrolle spielt, sichtlich. Doch auch der Regierung könnte die Debatte nicht ungelegen kommen, um von der wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie von unzähligen Affären ablenken zu können. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, 1.4.2015)