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Der Krater des Vulkans Tambora, der vor 200 Jahren auf der Insel Sumbawa in Indonesien ausbrach und für ein "Jahr ohne Sommer" sorgte.

Foto: AP

Wien - Die ersten Anzeichen der nahenden Katastrophe waren vor genau 200 Jahren zu bemerken. Ein britischer Seefahrer berichtete in den ersten Apriltagen 1815 von dunklen Aschewolken. Am Abend des 5. April 1815 gab es dann die erste Explosion, die auch noch in über 1000 Kilometern Entfernung zu hören war. Thomas Stamford Raffles, der Gouverneur von Java, hörte den Knall in seiner Residenz und dachte zunächst an Kanonenfeuer. Der Kommandeur von Djogjokarta in Zentraljava mobilisierte seine Truppen. Die Kolonialverwaltung schickte einen Trupp auf die Insel Sumbawa.

Doch es war kein Angriff, es war die schiere Naturgewalt, die sich Bahn brach. Die Eruption am 5. April war nur das Vorspiel. Am 10. April 1815 erschütterte eine noch gewaltigere Explosion die Halbinsel Tambora: Lavasäulen schossen in die Luft, der Vulkan spie Feuer und Asche, pyroklastische Ströme wälzten sich ins Tal. In Sekundenschnelle brach das Unheil über die Menschen herein - die Bewohner hatten keine Chance.

10.000 unmittelbare Opfer

Die glutheißen Lawinen aus Gas und Gestein, die sich fast mit Schallgeschwindigkeit die Hänge herabstürzten, begruben etliche Dörfer. Mehr als 10.000 Menschen kamen unmittelbar nach der Explosion ums Leben. Erst 2004 stießen US-Archäologen am Fuße des Vulkans auf menschliche Überreste der gewaltigen Katastrophe.

Die Tamboraner waren ein reiches Volk, das Handel mit Vietnam und Kambodscha trieb. Doch das Königreich wurde binnen Sekunden ausgelöscht. Die Glutwolken lösten sogar Tsunamis aus. Die Explosion hatte die Kraft von mehreren Millionen Wasserstoffbomben und war 2000 Kilometer entfernt zu hören. Die Menge des ausgeworfenen Materials wird auf bis zu 150 Kubikkilometer geschätzt. Damit könnte man den Bodensee dreimal auffüllen.

Die letzte Eruption, die jene des Tambora womöglich übertraf, war die des Vulkans Rinjani auf der indonesischen Insel Lombok im Jahr 1257. Doch von ihr wie auch früheren, womöglich noch gewaltigeren Vulkaneruptionen liegen keine direkten Beobachtungen vor.

In seinem Buch Tambora: The Eruption That Changed the World beschreibt Gillen D'Arcy Wood die Folgen der verheerenden Naturkatastrophe. Auf die Inseln Lombok und Bali fiel ein Ascheregen von bis zu einem Meter, die Luft war voller Staub und Schwefel. Das Firmament verfinsterte sich tagelang.

Der Ausbruch des Tambora zeitigte fatale Folgen für das Klima. Die in die Atmosphäre geblasenen Schwefelteilchen verursachten einen Temperatursturz in weiten Teilen Europas und Amerikas. Das Jahr 1816 ging als "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte ein. Die Bauern beklagten Ernteausfälle, Hungersnöte brachen aus und forderten mehr als 100.000 Tote.

Inspirierende Dunkelheit

Indirekt inspirierte das apokalyptische Ereignis auch Künstler. Lord Byron sah vom Balkon der Villa Diodati am Genfer See den düsteren Himmel und schrieb sein Gedicht Darkness. Es beginnt mit den Zeilen: "I had a dream, which was not all a dream. The bright sun was extinguish'd. Did wander darkling in the eternal space, Rayless, and pathless, and the icy earth."

Byrons Geliebte, Mary Shelley, verfasste unter dem Eindruck des verregneten Sommers in Genf ihren Roman Frankenstein. Und Caspar David Friedrich malte sein düsteres Gemälde Schiffe im Hafen am Abend. Dass die Finsternis von dem Vulkanausbruch auf Indonesien herrührte, wussten die damaligen Zeitgenossen nicht. (Adrian Lobe, DER STANDARD, 1.4.2015)