"Heute spielt Bosnien-Herzegowina gegen Österreich-Ungarn", meint der 57-jährige Amir B., der in dem großen durchsichtigen Zelt an der Wilsoner Promenade am Fluss Miljacka in Sarajevo sitzt. "Auf der einen Seite spielen die Bosnier und auf der anderen Seite auch viele vom Balkan", erklärt er seinen Scherz, der in den vergangenen Tagen in der bosnischen Hauptstadt die Runde machte. Tatsächlich verstehen die Spieler der beiden Teams sich offensichtlich gut, wenn sie einander als "pička" (Pussy) beschimpfen. Amir B. glaubt, dass die Bosnier es aber insgesamt schwerer haben, "weil sie verteilt sind auf sämtliche Teams in ganz Europa und wenig Gelegenheit haben zusammen zu spielen - im Gegensatz zu denen in Wien."

Amir B. findet es allerdings schade, dass die beiden Teams heute so aggressiv sind und es derartig viele Fouls gibt. "Aber die Bosnier finden dieses Spiel komischerweise wirklich wichtig, viel wichtiger als das Qualifikationsspiel gegen Andorra", erklärt er. Tatsächlich sitzen in fast jedem Lokal in Sarajevo die Fans vor dem Fernseher. Viele sind nicht überrascht, dass die Bosnier "so schlecht und die Österreicher gar nicht so schlecht spielen".

Adis Delalić etwa zollt den Österreichern "Respekt, dass sie so spielen, obwohl sie nicht einmal in Brasilien dabei waren". Als die Bosnier den Ausgleich machen, sind die Männer in dem Zelt sichtlich beruhigt und brüllen um so lauter. Was Herr Delalić weniger gut findet ist, dass angeblich in einem österreichischen Medium behauptet wurde, dass alle bosnischen Spieler Muslime seien. "Das ist falsch", ärgert er sich, "ich lebe in einem Land, wo Serben, Muslime und Kroaten leben und gemeinsam Fussball spielen".

Am Nachbartisch sitzt der Unternehmer Adnan S. Für ihn ist die "schlechte Performance" der Bosnier wenig überraschend. "Wenn man gesehen hat, wie schwer sich unser Team gegen Andorra getan hat, dann war das zu erwarten. Und die Österreicher haben sich in den letzten Spielen wirklich gesteigert", meint der Mann, der mit seiner Firma das alte k. und k. Rathaus, die Vijećnica restauriert hat. "Die erste Spielzeit haben die Österreicher geführt, bei uns waren keinerlei Ideen", meint er.

Seit Monaten wird das Freundschaftsspiel beworben, viele Busse sind aus Bosnien-Herzegowina für das Match nach Wien gefahren. Selbst die Tatsache, dass es fünf Monate nach der Wahl in dem Balkanstaat endlich eine Regierung gab, ging am Dienstag völlig unter, so viel wichtiger ist hierzulande Fussball als Politik. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 1.4.2015)