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Deutsche und britische Wissenschaftler analysierten die körperlichen Begleiterkrankungen von 23.371 Krankenhauspatienten mit Alkoholsucht und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe von 233.710 Patienten.

Foto: AP/Elaine Thompson

Bonn - Die Gedanken von Alkoholkranken verengen sich letztendlich auf eine Frage: Wie komme ich an Alkohol heran? Das heißt, in dem Maße wie das zwanghafte Trinkverhalten zunimmt, werden andere Interessen vernachlässigt. Als typisch gilt auch, dass Betroffene ihre Sucht leugnen, unter Entzugserscheinungen leiden und die Gewöhnung an den Alkoholkonsum zunimmt. Darüber hinaus führt Alkoholismus zu Veränderungen der Persönlichkeit sowie zu Problemen in der Familie und am Arbeitsplatz.

"Mit der Alkoholsucht sind sowohl psychische Probleme als auch erhebliche körperliche Beeinträchtigungen der Gesundheit verbunden", sagt Dieter Schoepf von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. Konkret heißt das: "Im Schnitt sterben Alkoholiker, die wegen gesundheitlicher Probleme in britischen Allgemeinkrankenhäusern behandelt wurden - durch das Zusammenwirken mehrerer körperlicher Begleiterkrankungen - um 7,6 Jahre früher als Patienten ohne Alkoholsucht", sagt der Wissenschaftler.

27 Begleiterkrankungen

Für eine Langzeitstudie werteten Schoepf und sein Kollege Reinhard Heun vom Royal Derby Hospital in England Patientendaten von sieben Allgemeinkrankenhäusern in Manchester aus. Die Daten erstrecken sich über einen Zeitraum von 12,5 Jahren. Die Wissenschaftler analysierten die körperlichen Begleiterkrankungen von 23.371 Krankenhauspatienten mit Alkoholsucht und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe aus zufällig ausgewählten 233.710 Behandelten ohne Alkoholismus.

"Im Beobachtungszeitraum starb etwa jeder fünfte Krankenhauspatient mit Alkoholsucht in einem der Krankenhäuser, während es bei der Kontrollgruppe nur jeder zwölfte Patient war", fasst Heun das Ergebnis zusammen. Insgesamt 27 körperliche Krankheiten traten gehäuft bei Patienten mit Alkoholsucht auf: Krankheiten, die Leber, Bauchspeicheldrüse, Atemwege, den Magen-Darm-Trakt und/oder das Nervensystem betrafen.

Im Gegensatz dazu waren etwa Herzinfarkte, Herzkreislauferkrankungen und Grauer Star bei den Patienten mit Alkoholismus weniger häufig als bei der Kontrollgruppe. "Patienten mit Suchtproblemen werden oft als Notfälle in Kliniken eingeliefert. Bei der Diagnose stehen dann die akuten Symptome im Vordergrund - das führt möglicherweise dazu, dass nicht alle körperlichen Erkrankungen erfasst werden", vermutet Schoepf.

Auch ein geringeres Schmerzempfinden und Wahrnehmungsstörungen der Suchtkranken könnten dazu führen, dass bestimmte Krankheitsbilder von den Ärzten nicht erkannt werden.

Differenzierte Analyse

Die Studie sei in dieser Form einzigartig, betonen die Wissenschaftler. Die große Zahl erfasster Patienten und die umfangreiche Kontrollgruppe erlaubten den Wissenschaftlern zufolge eine sehr differenzierte Auswertung. Der für solche Untersuchungen ungewöhnlich lange Beobachtungszeitraum ermögliche darüber hinaus, auch Krankheiten zu erfassen, die nur allmählich Beschwerden machen.

Dass die Untersuchung ausgerechnet mit Daten aus Großbritannien durchgeführt wurde, begründen die Forscher mit dem leichteren Zugang zu den notwendigen Informationen im Vergleich zu anderen Ländern. (red, derStandard.at, 3.4.2015)