Wien – Sie hanteln sich von einem Praktikum zum nächsten. Wenn sie eine Stelle länger behalten können, dann entweder auf der Basis eines Werkvertrags, oder der Job ist nur befristet. So stellt man sich das Leben der heutigen Hochschulabsolventen vor. Sie gehören der "Generation Praktikum" an. Die Existenz dieses Phänomens ist allerdings umstritten.

Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice, hat kürzlich in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Profil" gesagt: "Die Generation Praktikum existiert nach unseren Zahlen nicht." Das Phänomen der kurzfristigen Praktika konzentriere sich vor allem auf bestimmte Studienrichtungen wie Theaterwissenschaften oder Journalismus. Dadurch, dass die Journalisten selbst betroffen seien, bekomme das Phänomen mehr Aufmerksamkeit, als es verdiene.

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Von einem schlecht bezahlten Praktikum zum nächsten? - Die Mehrheit der Jungakademiker arbeitet in regulären Jobs.
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Ist die "Generation Praktikum" also lediglich ein herbeigeschriebenes Problem? Das kommt darauf an, was man unter den beiden Schlagwörtern versteht. Beschränkt man sich lediglich auf Praktika, so wäre es tatsächlich übertrieben, von einer ganzen Generation zu sprechen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2011 geben lediglich sechs Prozent der Hochschulabsolventen ein Praktikum als erste Beschäftigung nach dem Abschluss an.

Mehrheit ist angestellt

Fasst man die Definition der Generation Praktikum weiter und zählt auch atypische Beschäftigungsverhältnisse dazu, sieht das Bild anders aus. Zwar kommt die bereits zitierte Studie zur Arbeitssituation von Universitäts- und Fachhochschulabsolventen zum Ergebnis, dass 60 Prozent eine unbefristete Anstellung haben und siebzig Prozent vollzeitbeschäftigt sind. Trotzdem sind immerhin zwanzig Prozent bei ihrem ersten Job nach dem Abschluss Praktikanten, Trainees, geringfügig Beschäftigte, freie Dienstnehmer oder sie arbeiten auf Werkvertragsbasis.

Veronika Kronberger, Vorsitzende der "Plattform Generation Praktikum", sagt im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich kann die Interpretation von AMS-Chef Kopf nicht teilen." Die Generation Praktikum existiere sehr wohl. Sie verweist auf Analysen der Statistik Austria, wonach 2011 fünf Prozent der 25- bis 29-jährigen Männer und 21 Prozent der 25- bis 29-jährigen Frauen atypisch beschäftigt waren. Teilzeitanstellungen sind hier nicht miteinberechnet.

Studienwahl ausschlaggebend

Ausschlaggebend dafür, in welchem Arbeitsverhältnis junge Akademiker beschäftigt sind, ist die Studienwahl. Laut der bereits erwähnten Studie zur Arbeitssituation von Absolventen suchen Berufseinsteiger aus künstlerischen Lehrgängen acht, neun Monate, bis sie einen Job finden, während Ingenieure nur 3,7 Monate suchen.

Zahlen der Universität Wien zeichnen ein ähnliches Bild. In Zusammenarbeit mit der Statistik Austria hat die Hochschule den Berufseinstieg der Absolventen des Jahrgangs 2003 bis zum Jahr 2011 verfolgt. Vergleicht man Abgänger des Publizistikstudiums mit Betriebswirtschaftern, zeigt sich, dass die Publizisten wesentlich öfter in atypischen Jobs arbeiten. 27 Prozent sind direkt nach ihrem Abschluss freie Dienstnehmer oder geringfügig beschäftigt. Fünf Jahre später arbeiten immer noch zehn Prozent in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Bei den Betriebswirtschaftern sind nach dem Abschluss knapp zehn Prozent atypisch beschäftigt, nach fünf Jahren nur mehr drei Prozent.

Aktuelle Zahlen zum Berufseinstieg von Jungakademikern gibt es keine. Gewerkschafterin Kronberger ist überzeugt davon, dass die Situation schlechter geworden ist. Über die Plattform "Watchlist Praktikum" der Gewerkschaft würden regelmäßig Missstände gemeldet. Die Betroffenen arbeiten nicht nur im Kreativbereich und dem Journalismus. "Das sind die Branchen, in denen es begonnen hat", sagt Kronberger. Nun würden sich viele Personen melden, die in Tourismus, Handel, im Gesundheits- oder Sozialbereich arbeiten. Kellner würden nicht mehr angestellt, sondern über Werkverträge arbeiten.

Abgesehen von prekären Arbeitsverhältnissen ist die Jobsuche für Akademiker in den vergangenen Jahren besonders schwer geworden. Die Arbeitslosenquote ist überdurchschnittlich stark gestiegen. Im März 2015 waren insgesamt knapp 13 Prozent mehr Personen arbeitslos gemeldet als im Vorjahr. Die Zahl der arbeitslosen Akademiker stieg im gleichen Zeitraum um 23 Prozent. (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 8.4.2015)