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Harnwegsinfekte werden über Urinproben ermittelt. Herkömmliche Harntests weisen allerdings nicht alle Bakterien nach.

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Es gibt Mythen, die halten sich zäh: So etwa die Annahme, man könne sich Wunden oder Verbrennungen im Notfall mit dem eigenen Urin desinfizieren. Oder hier und da ein Stamperl trinken, weil es gesund hält.

All das ist Humbug. Vor allem, dass Urin keimfrei ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue US-Studie, die Forscher an der Loyola-Universität in Chicago soeben im Fachjournal "European Urology" veröffentlicht haben. Sie konnten herausfinden, dass es in der Blase von vollkommen gesunden Menschen eine Reihe von bisher unbekannten Keimen gibt. Welche Rolle sie spielen, wollen sie in Folgestudien erforschen.

In der bisherigen medizinischen Praxis spielte die Frage, ob Keime im Urin sind, vor allem bei der Diagnose von Harnwegsinfekten und Blasenentzündungen eine Rolle. Auskunft darüber geben Harntests. Sind Bakterien nachweisbar, gibt das den Ausschlag für eine Diagnose, die oft mit dem Verschreiben von Antibiotika verbunden ist. Allerdings: Ob sich die Bakterien in der Blase entwickeln oder eventuell erst im Harnleiter oder der Vagina in den Urin kommen, konnte bisher nicht festgestellt werden.

Umdenken bei Harnwegsinfekten

Der Ansatz der US-Forscher war anders. Sie wandten die Expanded Quantitative Urine Culture an, ein Verfahren, das über einen Katheter direkt aus der Blase Urinproben nimmt, um sie dann auf die DNA der dort potenziell vorhandenen Keime zu untersuchen. In der DNA-Sequenzierung fanden die amerikanischen Forscher heraus, dass im Urin Keime sind, die mit den herkömmlichen Verfahren im Labor bisher gar nicht nachgewiesen werden können. Das bedeutet, dass mit den derzeitigen Untersuchungsmethoden ein bakterielles Ungleichgewicht in der Blase nicht festgestellt werden kann, was wiederum auch Therapieentscheidungen beeinflusst.

In einem weiteren Schritt wollen die Wissenschaftler nun den körpereigenen Bakterienmix in der Blase genauer erforschen. Die Hypothese: Ähnlich wie im Darm könnte es Bakterien geben, die die Blase schützen. Ein Ungleichgewicht könnte die Schutzwirkung beeinträchtigen und der Grund für chronische Entzündungen sein. (red, derStandard.at, 8.4.2015)