Mit Leib und Seele Pfarrer zu sein kann schwer sein.

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Graz/Wien - "Eigentlich bin ich mit Leib und Seele Pfarrer. Trotzdem werde ich mich ab 31. 8. 2015 sehr verändern. Ich habe nämlich eine Beziehung, auch schon seit Jahren, mit Nora Musenbichler." Es war nicht leicht für Maximilian Tödtling, das beim Gottesdienst am Ostermontag in der Pfarrkirche Leoben-Donawitz zu sagen.

Er sei "nah am Wasser gebaut", gab der beliebte 45-jährige Dechant zu, dem an diesem Tag immer wieder die Tränen kamen. Seine Gemeinde reagierte mit stehenden Ovationen. Die Frau, mit der er sein Leben künftig ohne Versteckspiel teilen will, die er heiraten wird, ist die engagierte Koordinatorin der Vinzi-Werke und damit seit Jahren die rechte Hand des bekannten Grazer Armenpfarrers Wolfgang Pucher.

Die Diözesanleitung sei sehr verständnisvoll gewesen, betonte Tödling, nach seinem Laisierungsverfahren könnte er wieder in kirchlichen Dienst treten.

Liebesflucht

In der kleinen oberösterreichischen Gemeinde St. Georgen im Attergau verlief die Liebesflucht vom Tabernakel hingegen im Vorjahr alles andere als öffentlich. Anfang März trug der örtliche Pfarrprovisor noch ein Gemeindemitglied zu Grabe, zelebrierte die Messe - um dann ins Auto zu steigen und spurlos zu verschwinden.

Nur das Handy des Geistlichen blieb in der Sakristei zurück. Einen Tag später schlug dann die Lebensgefährtin Alarm und erstattete Vermisstenanzeige. Letztlich war aber sie der Grund für das Verschwinden. Offizielle Zahlen, wie viele Kleriker in Österreichs Diözesen in den letzten Jahren beim Papst um einen sogenannten Zölibatdispens - also eine Rückversetzung in den Laienstand und die Entbindung vom Zölibatsversprechen - baten, gibt es nicht. "Zumindest in der Erzdiözese Wien ist mir in den letzten Jahren nur ein Fall bekannt", erläutert Sprecher Michael Prüller.

Aktive Priester ohne Amt

Konkretere Zahlen legt Herbert Bartl, Vorsitzender der Organisation "Priester ohne Amt", vor. In Österreich gebe es "rund 700" Priester, die sich bewusst gegen ein zölibatäres Leben entschieden haben, aber mit stiller Duldung der Kirchenleitung aktiv sind.

Herbert Bartl lernt ein Jahr nach seiner Priesterweihe, 1968, Rosi kennen. Er Kaplan, sie zuständig für Jugendarbeit. Kurz darauf wird geheiratet, Rosi ist da schon schwanger. Das Jawort kostete den jungen Geistlichen das Amt. Und doch zelebriert Bartl heute, mittlerweile 40 Jahre "glücklich verheiratet", jeden Samstag die Messe in einem Wiener Altenheim. "Die Gläubigen wissen, dass ihr Pfarrer Frau und Kinder hat. Ich trage während der Messe meinen Ehering", sagt Bartl im Gespräch mit dem Standard. Kirchenrechtlich sieht sich der Pfarrer auf der sicheren Seite: "Ich wurde weder exkommuniziert noch suspendiert, sondern dispensiert." Die Kirche sieht das anders: Ein Kleriker werde sehr wohl, sobald er um Dispens von priesterlichen Verpflichtungen und somit um Entlassung aus dem Klerikerstand ansucht, suspendiert.

Und doch geht es in der katholischen Kirche auch bewusst mit Familie: Gerhard Höberth, Kaplan der Pfarre Rudolfsheim in Wien, ist Österreichs einziger katholischer Priester mit offiziellem Familienanhang. Höberth war evangelischer Pfarrer, konvertierte aber 2004 zum katholischen Glauben. Als Höberth bei seiner Weihe am 15. Juni 2007 im Stephansdom demütig vor dem Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn zu Boden ging, saßen in erster Reihe - dem Zölibatdispens sei es gedankt - seine Frau und die vier gemeinsamen Kinder. (Colette M. Schmidt, Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 9.4.2015)