In Österreich besteht keine Chancengleichheit für Kinder. Das zweitreichste Land der EU hat erschreckend viel Aufholbedarf: Kinder armer Familien leiden oft unter einer Vielzahl an Belastungen. Wer in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, hat eine kürzere Lebenserwartung, schlechtere Entwicklungschancen und ein hohes Risiko einer psychischen Erkrankung. Was tut der Staat, um diese Kinder besonders zu unterstützen? Zu wenig.

Man einigt sich zwar nach Jahren des Streitens, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen eigene Rehazentren brauchen. Allerdings soll es diese nicht in jedem Bundesland geben, und wo genau, ist noch unklar. Und die Zahl therapeutischer Angebote für Kinder mit psychischen Problemen ist zu gering. In Wien werden derzeit zwar sechs psychiatrische Kassenordinationen eröffnet, der Bedarf wäre laut Experten aber viel größer. Es braucht noch mehr solcher Einrichtungen. Allein deshalb, weil jedes Kind ein Recht auf gute Entwicklungschancen hat. Aber auch aus wirtschaftlichen Gründen: Jedes kranke Kind von heute ist ein chronisch kranker Erwachsener von morgen.

Langfristiges Ziel muss es sein, soziale Ungleichheiten zu mindern. Kinder ärmerer Familien brauchen bessere Wohnverhältnisse und Bildungschancen sowie ein Umfeld, in dem sie ohne Stigma und ohne Ausgrenzung groß werden dürfen. Dann könnte langfristig auch die psychische Belastung dieser Kinder abnehmen. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 9.4.2015)