Für die Kritiker der EU-Sparpolitik ist die Sachlage klar: Auf Anweisung Deutschlands müssen Krisenländer Griechenland, Spanien, Portugal und Co ihre Budgetausgaben senken. Diese Kürzungspolitik trifft vor allem arme Bevölkerungsgruppen, was zu einer beispiellosen sozialen Misere in der EU führt. Aber stimmen diese Vorwürfe auch?
Zwei Ökonomen des Brüsseler Thinktanks Bruegel, Zsolt Darvas und seine Kollegin Olga Tschekassin, haben sich die sozialen Auswirkungen der Sparprogramme in den EU-Ländern näher angesehen. Die Bruegel-Ökonomen zeigen zunächst, dass die Regierungen in Europa sehr wohl versucht haben, die Konsequenzen der Sparpolitik abzufedern.
Die meisten EU-Länder haben den Rotstift bei den öffentlich Bediensteten angesetzt und Beamtengehälter gekürzt. Und alle Staaten der Union haben Ausgaben eingespart, indem sie alle Arten von Neuinvestitionen drastisch reduziert haben. Im Gegensatz dazu sind die sozialen Ausgaben (für Pensionen, Familien, Gesundheit, Arbeitslose, Bildung) seit 2008 in keinem EU-Land außer Griechenland gefallen – dort allerdings war der Rückgang mit 25 Prozent wirklich drastisch.
Mehr Arbeitslose mit Unterstützung
Dass die sozialen Ausgaben nicht gesunken sind, liegt zunächst einmal daran, dass krisenbedingt mehr Arbeitslose Unterstützung gebraucht haben. Zugleich zeigt sich jedoch, dass politisch stark differenziert vorgegangen wurde: Die altersspezifischen Ausgaben (allen voran für Pensionen) sind durch die Bank in allen EU-Ländern seit Krisenbeginn gestiegen oder waren stabil.
Gekürzt wurde dagegen bei der Unterstützung für Familien und Kinder. Eine Kostprobe: In Griechenland, Portugal und Irland sind Familienleistungen wie Kindergeld seit 2009 um 20 Prozent gefallen. Italien und Spanien haben ein Zehntel ihrer Ausgaben für Familien weggekürzt. Auch für Bildung geben all diese Länder deutlich weniger aus als zu Krisenbeginn. In Italien und Spanien sind die Bildungsausgaben um zehn Prozent gefallen.
Krise der Jungen
Darvas und seine Kollegin kommen überhaupt zur Schlussfolgerung, dass die aktuelle Krise vor allem eine Krise der jungen Generation ist: Denn nicht nur die Sozialkürzungen haben junge Menschen getroffen. Auch den Einbruch des Wirtschaftswachstums bekommen vor allem sie zu spüren. So ist die Zahl der unter 30-Jährigen, die weder arbeiten noch eine Ausbildung machen, seit 2008 in 23 von 28 EU-Ländern gestiegen – in den Südländern war dieser Anstieg drastisch. Auch Arbeitslosigkeit trifft die unter 25-Jährigen, die keinerlei rechtlichen Schutz genießen, besonders hart.
Weil viele Junge ihre Jobs verlieren, oder keine Arbeit finden, ist auch die Zahl der Kinder, die in einem Haushalt leben, in dem kein Elternteil arbeitet, explodiert. In Griechenland, Irland und Portugal hat sich die Quote verdoppelt. (András Szigetvari, DER STANDARD, 9.4.2015)