Aden – Die schiitischen Huthi-Rebellen haben die südjemenitische Stadt Atak und die umliegenden Ölfelder unter ihre Kontrolle gebracht. Der Vorstoß erfolgte trotz saudiarabischer Luftangriffe gegen die Huthis, berichteten Augenzeugen am Mittwoch. Demnach stießen die Rebellen in Atak auf keinen Widerstand am Boden.

Die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt der Provinz Shabwa waren dem 2012 abgetretenen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh treugeblieben. Saleh-treue Armee-Verbände dürften landesweit für die militärischen Erfolge der Huthis ausschlaggebend sein. Mit der Eroberung von Atak vermochten die aus dem Norden stammenden Rebellen ihre Position im Südjemen zu festigen.

Fast 650 Tote

Bei dem Konflikt sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den vergangenen drei Wochen bereits fast 650 Menschen getötet worden. Mehr als 2.220 Personen seien seit 19. März bei den Kämpfen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen verletzt worden, teilte die WHO am Mittwoch mit. Zudem wurden 600.000 Menschen von ihrem Zuhause vertrieben. "Die humanitäre Lage ist kritisch", teilte die WHO mit. Stromausfälle und akuter Wasser- und Treibstoffmangel setzten der Bevölkerung zu.

Am Mittwoch seien durch Panzer- und Granatenbeschuss der Rebellen in der Stadt Aden 22 Menschen getötet und mehr als 70 verletzt worden, die meisten davon Zivilisten, meldeten ein Behördenvertreter und ein Arzt. Die schiitischen Huthis hätten dabei gemeinsam mit Anhängern von Ex-Präsident Saleh wahllos Wohnhäuser beschossen, sagte der Behördenvertreter der Nachrichtenagentur AFP.

Der Organisation Ärzte ohne Grenzen gelang es unterdessen, eine medizinische Hilfslieferung im Hafen von Aden zu entladen, wie sie am Mittwoch mitteilte. Auch ein Schiff mit Hilfsgütern und Personal des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sei in der Hafenstadt eingetroffen, sagte ein Sprecher des arabischen Militärbündnisses. Wegen anhaltender Kämpfe sei es jedoch schwierig, das Material zu entladen.

Kritik aus dem Iran

Die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Koalition gegen die Huthi-Rebellen im Jemen tragen in den Augen des religiösen Führers des Iran, Ali Khamenei, Züge eines Völkermordes. "Die Aggression Saudi-Arabiens gegen den Jemen und dessen unschuldiges Volk ist ein Fehler", sagte der Ayatollah in einer Fernsehansprache am Donnerstag. "Das ist ein Verbrechen und ein Genozid, dagegen kann man bei internationalen Gerichten klagen."

Kritik kam auch vom Präsidenten des Iran, Hassan Rohani. Er forderte ein Ende der Luftangriffe und sprach sich für eine politische Lösung des Konflikts aus. "Eine große Nation wie Jemen wird sich durch Bombardement nicht unterwerfen lassen", sagte Rohani am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Wir sollten über ein Ende des Krieges, über einen Waffenstillstand nachdenken." Die Jemeniten sollten sich an den Verhandlungstisch setzen und dort selbst über ihre Zukunft entscheiden. Diese liege in den Händen des jemenitischen Volkes und nicht in den Händen anderer.

Kerry: Iranische Unterstützung für Huthis ist uns bewusst

US-Außenminister John Kerry sicherte den Verbündeten in der Region die Unterstützung der USA zu. Er verwies insbesondere auf die mutmaßliche Rolle des Iran in dem Konflikt: Die USA seien sich durchaus bewusst, dass der Iran die Huthi-Rebellen unterstützte, sagte Kerry in einem Interview des Senders PBS. Am Mittwoch hatte der Iran vor Aden zwei Kriegsschiffe entsandt.

"Der Iran muss einsehen, dass die Vereinigten Staaten nicht zusehen werden, wie die Region destabilisiert wird oder wie Leute über internationale Grenzen hinweg offen Krieg führen," sagte Kerry. Die USA seien zwar nicht auf eine Konfrontation aus. Sie würden aber zu Verbündeten und befreundeten Staaten stehen, die sich durch Entscheidungen des Iran bedroht fühlten, sagte Kerry.

Saudi-Arabien fliegt mit verbündeten Staaten seit einiger Zeit Angriffe auf Waffendepots, Stellungen und Konvois der Huthi-Miliz. Kerrys Stellvertreter Antony Blinken sagte am Dienstag bei einem Besuch in der saudischen Hauptstadt Riad, die USA würden ihre Waffenlieferungen an Saudi-Arabien beschleunigen.

Carter: Al-Kaida könnte von Chaos im Jemen profitieren

US-Verteidigungsminister Ashton Carter äußerte sich besorgt darüber, dass Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel das derzeitige Chaos im Jemen nutze, um ihr Einflussgebiet auszuweiten. Der Al-Kaida-Ableger im Jemen hat eine Belohnung für die Tötung oder Ergreifung des Rebellen-Anführers Abdulmalik al-Huthi und den früheren Präsidenten Saleh ausgelobt. Dies berichtete die auf Islamisten spezialisierte Beobachtergruppe SITE am Mittwoch und berief sich auf ein Video der Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP). Die beiden Männer seien "die Köpfe des Bösen im Jemen". Ihre Ermordung oder Ergreifung werde mit 20 Kilogramm Gold belohnt.

Die Rebellengruppe der Huthi aus dem Nordjemen hatte im Jänner die Hauptstadt Sanaa vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Als sie weiter auf Aden vorrückte, floh Präsident Abd-Rabbu Mansur Hadi nach Saudi-Arabien und bat dort um Hilfe. Am 26. März begann Riad daraufhin mit neun weiteren arabischen Staaten Luftangriffe auf die Rebellen und verbündete Armeeeinheiten, um deren Vormarsch auf Aden zu stoppen. (APA, 9.4.2015)