Auf ihrem letzten Weg sollen Patienten in Österreich mehr palliativmedizinische Unterstützung erhalten. Allerdings wird von Medizinern nach wie vor mangelnde Akzeptanz des Gebiets unter Ärzten bemängelt.

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Wien - Für eine flächendeckende palliativmedizinische Versorgung, wie sie in Österreich nun von allen Seiten gefordert wird, bedarf es genügend ausgebildeter Ärzte. Vor allem Palliativmediziner beurteilen die Lage aber kritisch, wie ein STANDARD-Rundruf zeigt. Harald Retschitzegger, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft, sieht viel Aus- und Weiterbildungsbedarf und fordert eine Facharztausbildung für Palliativmedizin. Das Gebiet werde von Kollegen nach wie vor nicht voll akzeptiert, sagt er. Arthur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, meint, sein Berufsstand sei auf dem Gebiet bereits gut aufgestellt.

Bei palliativer Versorgung soll nach Definition der Weltgesundheitsorganisation die Lebensqualität von Patienten mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung berücksichtigt werden, mit dem Ziel, Leiden zu lindern beziehungsweise ihnen vorzubeugen.

Facharztausbildung gefordert

Eine entsprechende Facharztausbildung forderte auch Herbert Watzke, Palliativmediziner der Meduni Wien, am Rande des Österreichischen Palliativkongresses, der bis Samstag in Wien läuft. Palliativmedizin sei zwar Teil der Ärzteausbildung, "viel schwieriger" sei es aber, bereits tätige Mediziner zu erreichen. Zwar gebe es Fortbildungsangebote, bei der Akzeptanz der Ärzte bestehe aber großer Aufholbedarf. "Darüber hinaus ist die Forschungsaktivität im Bereich der Palliativmedizin in Österreich gering", ergänzte Watzke. In den vom Nationalrat Ende März abgenickten Empfehlungen zum Ausbau der Palliativversorgung forderte die parlamentarische Enquetekommission unter anderem mehr Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet.

2890 Ärzte mit Zusatzdiplom

Laut Ärztekammer haben 2890 Ärzte in Österreich bisher ein Zusatzdiplom in Palliativmedizin erlangt (nach 60 Stunden Weiterbildung) und rund 2000 Ärzte ein Geriatriediplom. Insgesamt gab es 2013 laut Statistik Austria rund 42.300 Ärzte in Österreich. Zieht man jene in Ausbildung und die Zahnärzte ab, sind es knapp 31.000. Nicht einmal jeder Zehnte hat ein Palliativmedizindiplom. Wechselberger zufolge debattiert die Ärztekammer darüber, diese Weiterbildung zu erweitern.

Herzchirurg Felix Unger von der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste erinnert daran, dass es Palliativmedizin als solche vor 40 Jahren noch nicht gab. Das habe sich "total gewandelt". Unger zeigt sich "völlig überzeugt davon", dass immer mehr Kollegen sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Die im Bundeskanzleramt angesiedelte Bioethikkommission, die sich parallel zur parlamentarischen Enquete mit Fragen zum Sterben befasste, fordert auch einen vorsichtigeren Umgang mit Begrifflichkeiten, allem voran mit dem Wort "Sterbehilfe", das sehr breit verwendet werde.

Kritik der Bioethikkommission

Die Mehrheit der Mitglieder der Bioethikkommission, schlug - anders als die parlamentarische Enquetekommission - vor, den assistierten Suizid unter bestimmten Umständen zuzulassen. Die Ärztekammer lehnt das ab. "Ich glaube nicht, dass sich daran bald etwas ändern wird", bekräftigt Wechselberger erneut.

Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, bedauert diese Haltung. "Etwas zu diskutieren heißt ja nicht, dass man es gleich einführt", sagt Druml. Sie vermisse eine Debatte über die "Entkriminalisierung des assistierten Suizids", die die Kommission anregen habe wollen. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder forderte eine Reform des Paragrafen 78 im Strafgesetzbuch ("Mitwirkung zum Selbstmord"). Da gehe es zum Beispiel auch einfach nur darum, wie damit umzugehen ist, wenn jemand im Gespräch mit seinem Arzt einen Todeswunsch äußert. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 10.4.2015)