Anselm Franke (li.) ist Kurator und Kritiker, Jörg Heiser (re.) ist Co-Chefredakteur der Londoner Kunstzeitschrift Frieze. Am Samstag diskutieren sie in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz zu den Themen "Criticality in Crisis" (Clémentine Deliss, Anselm Franke, Monika Szewczyk) und "Critical Affirmation / Media between Affirmation and Critique" (Pernille Albrethsen, Jörg Heiser).

Foto: Jakob Hoff (li.), Stefan Maria Rother / Claassen Verlag (re.)

Wien - Kritische Kunst muss sich abgrenzen von herrschenden Verhältnissen. Sie muss Gegenentwürfe zum Bestehenden bieten. Mit "Alterität" (dem Gegenteil von Identität) benennt die Theorie dieses Anderssein. Die Alterität der Kunst ist dabei von jeher bedroht, etwa von Vereinnahmung durch die Politik.

Das größere Problem ist heute aber die Wirtschaft. Jede noch so subversive Geste ist vermarktbar. Das Dilemma dabei ist einigermaßen komplex: Reagieren Künstler damit, dass sie fortwährend neue Abgrenzungen schaffen, nähern sie sich erst recht ökonomischen Gesetzmäßigkeiten an. Sie spielen dann quasi das Spiel der Innovation mit.

Das Problem der kritischen Distanz ist eines, das dieser Tage auch in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz diskutiert wird. "Criticality in Crisis" nennt sich ein Panel der Konferenz Kuratorische Ethik, "Media between Affirmation and Critique" ein anderes. Auf dem Podium sind bei diesen beiden Panels, getrennt voneinander, Anselm Franke, Kurator und Kritiker, sowie Jörg Heiser, Co-Chefredakteur der Londoner Kunstzeitschrift Frieze.

Letzterer nennt die Ökonomie einen "unheimlichen Bruder", der der Kunst in den vergangenen Jahrzehnten entwachsen sei: "So wie plötzlich alles Kunst sein konnte, so ist plötzlich auch alles Ökonomie." Die gegenwärtige Krise der Kunst - "vielleicht ihre größte" - bestehe darin, "Legitimationsideologie für die Durchökonomisierung geworden zu sein", sagt Heiser. Eine gegenwärtige Aufgabe sieht er darin, mit daraus entstehenden Missverständnissen aufzuräumen; jenem etwa, "dass es, wenn ich ausgebeutet werde, etwas mit Kunst zu tun hat; dass ich in Gegenleistung für schlechte Bezahlung mich irgendwie künstlerisch fühlen darf".

Franke sieht die besondere Beziehung zwischen Kunst und Kapital darin, dass die Kunst eine Form von magischer Wertschöpfung sei, die auf nicht klar zu benennenden, subjektiven Faktoren beruht. Die Wertschöpfung aus Kunst, die gleichzeitig "Fetisch der neuen Eliten und riesiges Investitionsobjekt" ist, müsse genau analysiert werden, sagt Franke. Der Magie der Kunst näherte er sich schon mit der Ausstellungsreihe Animismus. Sie untersucht Bezüge der Kunst zu vorwissenschaftlichem Denken, das leblose Materie als beseelt sieht. Von "magischem Denken" möchte Franke aber lieber nicht sprechen.

Wir hätten es heute - dank moderner Medientechnologie - mit "einer Vielzahl von Prozessen zu tun, die früher magisch genannt worden wären". Und um Widerstandsformen gegen die "magischen Tänze des Kapitals", die "Übertragungsmagien am Finanzmarkt" zu finden, brauche man differenzierteres Vokabular.

Was die Sponsorensituation für kritische Kunst anbelangt, sind sich Heiser und Franke einig: Es sei jedenfalls vorteilhaft, wenn Institutionen "nicht von einer einzigen Geldquelle abhängig" seien. Schließlich komme es aber auch noch entscheidend darauf an, inwiefern etwaige Interessen von Förderern Gegenstand der Debatte werden. (Roman Gerold, DER STANDARD, 11./12.4.2015)