Depressive Erkrankungen sind gekennzeichnet durch eine mangelnde Bewältigung und Kontrolle von negativen Eindrücken, Gedanken und Gefühlen. Mit Psychotherapie und antidepressiven Medikamenten kann zwar vielen Patienten gut geholfen werden, ein besseres Verständnis der neurobiologischen Grundlagen dieser Erkrankung könnte aber eine noch gezieltere und effektivere Therapie ermöglichen.

Negative Wahrnehmung

Bei vielen psychiatrischen Erkrankungen ist die Wahrnehmung und Verarbeitung bestimmter, bei Depressionen vorwiegend negativer Informationen verstärkt. Die diesbezügliche Steuerung emotionaler Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungsprozesse ist vor allem Aufgabe des Stirnhirns. Bei Patienten mit Depressionen ist die Aktivität dieses Hirnbereichs und damit die Kontrolle über die Verarbeitung emotionaler Informationen verringert.

Mit Hilfe schwacher elektrischer Ströme ist es möglich, die Aktivität dieses Hirnbereichs zu unterstützen. Dieses vergleichsweise einfache und die Patienten kaum belastende Verfahren der sogenannten transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) wird derzeit in zahlreichen Bereichen der neurologischen und psychiatrischen Therapieforschung eingesetzt.

Neue Studien

In einer aktuellen Studie konnten Forscher der Universität Tübingen zeigen, dass die Verbesserung der Aktivität des linken Stirnhirns durch tDCS die erhöhte Aufmerksamkeit für negative Informationen bei Patienten mit Depression tatsächlich vorübergehend beseitigen kann. Umgekehrt kann eine Verringerung der Aktivität dieses Hirnbereiches bei gesunden Versuchspersonen zu einer sonst nicht vorhandenen Ablenkbarkeit durch negative Informationen führen.

In einer weiteren Studie konnten die Forscher mit der gleichen Art von Hirnstimulation gesunden Versuchspersonen helfen, den Ärger beim Scheitern an einer Konzentrationsaufgabe so zu unterdrücken, dass die Konzentrationsleistung besser wurde.

Die Stimulation des linken Stirnhirns während der Aufgabe verbesserte damit die Fähigkeit zur Begrenzung negativer Gedanken und Impulsen. Die Forscher schließen daraus auf eine entscheidende Bedeutung des linken Stirnhirns für den individuellen Umgang mit emotionalen Informationen und damit auch für deren Störung - wie etwa bei der Depression. (red, derStandard.at, 13.4.2015)