Graz/Braunschweig/Wien - Die Forscher mussten damit rechnen - gewünscht haben sie sich jedoch ein anderes Ergebnis: Der Kern des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko produziert kein eigenes Magnetfeld. Das ergaben Messungen der europäischen Raumsonde "Rosetta", wie Forscher der Technischen Universität Braunschweig und des Instituts für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften in Graz im Fachjournal "Science" berichten.

Das entkräftet eine bisherige Theorie der Kometenentstehung. Wenn sich kosmische Materie zusammenballt, spielt die Gravitation erst ab einer gewissen Größe - laut Hans-Ulrich Auster vom Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der TU Braunschweig etwa ab 100 Metern - eine maßgebliche Rolle für das weitere Wachstum des Himmelskörpers. Unterhalb dieser Größe müssen andere Kräfte im Spiel sein. Magnetische Anziehung galt als plausible Hypothese, aber der macht Tschuri nun einen Strich durch die Rechnung.

"Basierend auf Magnetfeldmessungen während des Abstiegs und dem anschließenden mehrfachen Touchdown des Rosetta-Lander Philae auf dem Kometen können wir zeigen, dass innerhalb der Grenzen der Analyse kein globales Magnetfeld nachgewiesen wurde", sagt Auster.

"Es wäre schon ein ganz dummer Zufall, wenn die Welt nebenan ganz anders wäre"

Auster stellt die Ergebnisse der jüngsten Auswertungen der Magnetfeldvermessungen des Kometen bei der diese Woche laufenden Generalversammlung der "European Geosciences Union" (EGU) in Wien vor. Bisher hielten es Weltraumforscher für möglich, dass magnetische Kräfte in einer bestimmten Phase der Entstehung des Kometen eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. "Das hätten wir uns gut vorstellen können. Diese Theorie für das Wachstum von Kometen im Zentimeter- und Meterbereich kann man aber, solange kein weiterer Komet untersucht ist, ausschließen", betonte der Geophysiker.

Dass es nicht doch noch Felsblöcke mit einem stärkeren magnetischen Moment in einer weiteren Distanz zur beobachteten Region auf "Tschuri" gibt, schließt Auster aus: "Es wäre schon ein ganz dummer Zufall, wenn die Welt nebenan ganz anders wäre." Sollte 67P/Tschurjumow-Gerassimenko repräsentativ für Kometenkerne sein, "dann haben magnetische Kräfte kaum eine Rolle bei der Akkumulation von Planeten-Bausteinen gespielt", so der Braunschweiger Forscher.

"Wir haben über die aufgezeichnete Messzeit von 20 Stunden keine magnetischen Signaturen entdeckt, die darauf hinweisen würden, dass ein eigenes Magnetfeld vorhanden wäre", ergänzt Werner Magnes vom Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF). Er hat gemeinsam mit einem Team unter der Leitung von Auster den "Magnetometer and Plasma Monitor" (ROMAP) entwickelt, welcher das Magnetfeld sowie die Sonnenwindwechselwirkung mit dem Kometen untersucht.

Wackelige Landung hatte auch eine gute Seite

"Es war ein enormer Vorteil, dass das Mini-Labor Philae bei der Landung noch mehrere Hopser hingelegt hat", schildert Magnes. Dadurch habe man jetzt Messergebnisse von mehreren Punkten auf "Tschuri" in einer räumlichen Distanz von 1,2 bis 1,3 Kilometern Luftlinie, die alle das gleiche Ergebnis brachten: "Keine messbare Änderung der Magnetfeldstärke. Und das bei sehr hoher Messgenauigkeit", so der Grazer Forscher.

Parallele Messungen eines weiteren Messgerätes (RPC-Mag) auf der Raumsonde hätten ähnliche Ergebnisse geliefert und die Aussagekraft der ROMAP-Daten noch hinaufgetrieben, schilderte Auster weiter. Auch dieses Instrument wurde von der TU Braunschweig und dem Grazer IWF entwickelt, gebaut und getestet. (APA/red, derStandard.at, 14.4. 2015)