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Die Weltbank erwägt, wegen des Schuldenschnitts bei dem Kärntner Geldhaus vor einem internationalen Gericht zu klagen.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Zwischen dem Infomaterial über Bewässerungsprojekte in Afrika und Umweltprogramme in Kambodscha würde man das kleine Heft fast übersehen. Dabei liegt die blau-weiße Broschüre mit dem Titel "Neugestaltung der finanziellen Nachhaltigkeit" derzeit überall in der Weltbank-Zentrale an der H Street in Washington auf. In dem Heft wird erklärt, womit die Weltbank und ihre Mitarbeiter seit Monaten kämpfen: Die Organisation muss auf Geheiß des Managements kräftig sparen.

400 Millionen Dollar sollen in den kommenden drei Jahren weggekürzt werden. Das sind acht Prozent des jährlichen Budgets der Organisation. Die Weltbank gibt sich gern selbstbewusst. Sie ist es gewohnt, Ländern Empfehlungen darüber zu geben, wie man Verwaltungsabläufe effizienter gestalten und Budgets straffen kann. Nun muss sie selbst jeden Cent zweimal umdrehen.

Doch die Broschüre und ihr Inhalt bereiten auch Österreich Schwierigkeiten. Die verflixte Zahl 400. Am Freitag beginnt die Frühjahrstagung der Weltbank und des Währungsfonds (IWF) in Washington. Es kann sein, dass Österreichs Vertreter, Finanzminister Hans Jörg Schelling und Notenbankgouverneur Ewald Nowotny, in Washington die Zahl 400 öfter zu hören bekommen. Weshalb? Wegen der Hypo.

Ein Rückblick: Als Finanzminister Michael Spindelegger sich 2014 durchrang, die Gläubiger der Kärntner Pleitebank an den Kosten des Desasters zu beteiligen, folgte für die Öffentlichkeit eine Überraschung. Zu den Kreditgebern der Hypo gehörte auch die Weltbank. Die Organisation hatte in Hypo-Anleihen investiert. Österreich verabschiedete ein Gesetz, mit dem 900 Millionen Euro an nachrangigen Forderungen gegen die Hypo über Nacht gestrichen wurden. Um ein gutes juristisches Argument gegen allfällige Klagen wütender Investoren zu haben, entschied man sich dazu, alle Gläubiger gleichzubehandeln. Auch die Weltbank wurde dem Schuldenschnitt unterzogen.

Das Problem: Die Weltbank sieht das als Rechtsbruch an. In den Articles of Agreement, die Österreich als Weltbank-Mitglied unterzeichnet hat, steht, dass jede Form der Enteignung von Vermögen der Organisation verboten ist. Was, wenn nicht eine Enteignung ist das Vorgehen Österreichs im Falle der Hypo denn, argumentiert man in Washington.

Beschwerde bei Jazz-Konzert

Heikel macht den Streit vor allem der Zeitpunkt. Bei der Weltbank stehen in der Causa Hypo rund 150 Millionen Euro (160 Millionen Dollar) auf dem Spiel. Das entspricht mehr als einem Drittel des Sparprogramms im eigenen Haus. Weltbank-Präsident Jim Yong Kim muss daher, allein um seine Leute nicht zu verärgern, Härte zeigen. Und das tut er auch. So drängt er österreichische Politiker dazu, den Schritt rückgängig zu machen. Sogar bei Außenminister Sebastian Kurz hat er sich anlässlich der UN-Vollversammlung in New York am Rande eines Jazz-Konzerts beschwert. Das wird in Wien bestätigt. Auch Amerikaner und Chinesen machen Druck.

Sie wollen ihr Geld - die Weltbank gehört ihren Mitgliedsländern - wieder. Die Washingtoner Organisation erwägt eine Klage vor einem internationalen Gericht, angeblich soll bereits eine Anwaltskanzlei prüfen. Doch ein Rechtsstreit ist auch für die Weltbank unangenehm, würde sich doch die Frage stellen, warum man überhaupt in die marode Hypo investierte. Kalmieren muss die Sache nun Finanzminister Schelling, der das Problem geerbt hat. Ein Ausweg wäre, dass Österreich seine Beiträge bei der Weltbank aufstockt. Zufällig um 150 Millionen Euro. Damit wäre die Weltbank de facto schadlos, Österreich hätte alle Gläubiger gleichbehandelt und sogar einen Beitrag für internationale Entwicklung geleistet.

Sollte diese Variante verfolgt werden, bliebe aber die Frage, ob man sich in Washington darauf einlässt – schließlich will dort niemand einen Präzedenzfall. Schelling und Kim sollen sich in Washington dem Vernehmen nach treffen, was Entspannung symbolisieren würde. Bestätigen will das weder das Finanzministerium noch die Weltbank. Dort heißt es offiziell nur: "Alle Optionen liegen auf dem Tisch, inklusive einer Klage."

Risiken

Die Hypo beschäftigt aber auch den IWF. Österreich hatte sich bei dem Schuldenschnitt 2014 ja eines Tricks bedient. Per Gesetz erklärte das Parlament bestimmte Verbindlichkeiten der Hypo für erloschen. Damit einhergehend wurden auch Sicherheiten – also die Haftungen des Landes Kärnten – für erloschen erklärt. Keine Schuld, keine Haftung. Der IWF hat in seinem letztjährigen Bericht auf die Risiken dieser Vorgehensweise hingewiesen. "Eine Forderung per Gesetz für erloschen zu erklären ist problematisch", sagt nun Bas Bakker, der beim IWF für Österreich zuständig ist, dem STANDARD.

Derzeit ist ja ein Moratorium in Kraft, wonach die Heta (die Bad Bank der Hypo) die Gläubiger des Instituts bis zum Mai 2016 nicht ausbezahlt. In dieser Zeit soll eine Lösung gefunden werden. Möglich, dass Österreich wieder die Schulden mitsamt den Haftungen streicht. Der IWF sei keinesfalls generell gegen den Bail-in von Gläubigern. Doch der Ex-post-Eingriff per Gesetz in die staatlichen Garantien ist mit Risiken verbunden, weil staatliche Sicherheiten damit generell entwertet werden, sagt Bakker. Eine solche Einschätzung durch die Investoren könnte insbesondere dann einsetzen, wenn diese risikoscheuer werden.

Wenn die Garantien aufrecht bleiben, ist die wahrscheinliche Konsequenz, dass Kärnten in Konkurs geht. In diesem Fall würde die Heta die Gläubiger also nicht voll auszahlen. Die Investoren müssten sich daher an Kärnten wenden. Wobei klar wäre, dass ein Bundesland, das für elf Milliarden Euro haftet, jährlich aber nur etwas mehr als zwei Milliarden Euro einnimmt, die Forderungen nicht erfüllen könnte und in den Konkurs müsste. Dafür bräuchte es dann eine Konkursregelung für Bundesländer, die es in Österreich noch nicht gibt. (András Szigetvari aus Washington, DER STANDARD, 16.4.2015)