New Haven/Wien - Primaten zeichnen sich im Vergleich zu anderen Säugetieren durch ihre herausragende Greiffähigkeit aus. Beim Greifen nach sehr kleinen Objekten schneiden Menschen deutlich besser ab als Affen: Sie haben mehr Möglichkeiten, Dinge bis etwa Tennisball-Größe mit einem Präzisionsgriff zwischen Daumen und Zeigefinger zu positionieren.

Den Hintergrund dafür haben nun Forscher um den österreichischen Maschinenbauer Thomas Feix von der Yale University durch biomechanische Modellberechnungen ergründet. Der mögliche "Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum", der die unterschiedlichen Positionen umfasst, in dem die beiden Finger Gegenstände im Zangengriff halten können, sei bei Menschen etwa doppelt so groß wie bei anderen Primaten. Das sei besonders bei der Werkzeugbenutzung hilfreich, so Feix.

Gorillas nach Menschen

Für ihre Studie im "Journal of the Royal Society Interface" haben die Wissenschafter für heute lebende Menschen, Affen und Lemuren, sowie ausgestorbene Hominini wie Neandertaler und Australopithecus afarensis anhand der Fingerproportionen und der Beweglichkeit der Gelenke bestimmt, wie groß dieser Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum für unterschiedlich große Gegenstände ist. Denn bei fast allen präzisen oder kraftvollen Greifarten sei es wichtig, Dinge zwischen Daumen und Zeigefinger festzuhalten, so die Forscher.

Nach den Menschen hatten Gorillas den größten Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum, gefolgt von Schimpansen und Bonobos. Die Finger der Menschenaffen seien aber bezüglich der Positionierungs-Möglichkeiten auf größere Gegenstände optimiert als jene von Menschen.

Fingerfertige Neandertaler

Beim Vergleich von Homo sapiens mit seinen fossilen Vorfahren seien jedoch keine signifikanten Größenunterschiede im Daumen-Zeigefinger-Arbeitsraum feststellbar, berichten die Wissenschafter weiters. Auch Neandertaler hätten demnach entgegen früherer Annahmen wohl die gleiche Fingerfertigkeit wie moderne Menschen gehabt.

Bei Australopithecus afarensis ist es derzeit fraglich, ober er schon Werkzeug gebrauchte. Die Geschicklichkeit seiner Hände hätte das aber wohl möglich gemacht. "Unser Modell hat jedenfalls keine Gründe gefunden, warum es nicht so sein sollte", so Feix. (APA/red, derStandard.at, 19.4.2015)