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Gerettete Flüchtlinge im Hafen des sizilianischen Augusta.

Foto: REUTERS/Antonio Parrinello

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Ein geretteter Flüchtling wird zur medizinischen Kontrolle gebracht.

Foto: AP/Carmelo Imbesi

Rom/Brüssel – In Italien landen immer mehr Flüchtlinge. 11.000 Menschen haben in den vergangenen sechs Tagen die Küste Süditaliens erreicht. Allein seit Donnerstag wurden vier Schlauchboote und ein Fischerboot in Sicherheit gebracht. An Bord befanden sich 574 Menschen, die nach Sizilien gebracht wurden, teilte die Küstenwache mit.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind seit Anfang dieses Jahres bereits 21.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen. 2014 kamen rund 170.000 Migranten über Italien in die Europäische Union. Mehr als 3.000 verloren bei der Reise über das Mittelmeer ihr Leben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International meldete, dass seit Anfang 2015 voraussichtlich fast 900 Menschen bei Seeüberfahrten im Mittelmeer ertrunken seien. Das sind 50 Mal mehr als im Vergleichszeitraum 2014, als 17 Flüchtlinge im Mittelmeer gestorben waren.

"Wie viele Menschen werden noch sterben müssen, bevor die europäischen Regierungen Initiativen ergreifen?", fragte Gauri Van Gulik, Vizedirektorin für Europa und Zentralasien von Amnesty International. Bei der Massenflucht kommt es immer wieder zu Gewaltakten.

Italienisches Fischerboot vorübergehend gekapert

So brachte eine Gruppe Bewaffneter laut Medienberichten vor Libyen ein italienisches Fischerboot vorübergehend in ihre Gewalt. Das aus Sizilien stammende Boot mit seiner siebenköpfigen Besatzung wurde in der Nacht auf Freitag vor der libyschen Küste gekapert. Den Besatzungsmitgliedern sei es jedoch gelungen, die beiden Angreifer zu überwältigen und sie in einen Lagerraum einzusperren.

Das Boot konnte dann libysche Gewässer verlassen. Ein italienisches Militärschiff leistet dem Fischerboot Unterstützung, das in Richtung Lampedusa unterwegs sei, berichtete Nicola Cristaldi, Bürgermeister der sizilianischen Küstenstadt Mazara del Vallo, von der das Boot abgefahren war, weiter. Noch unklar war, wann das Schiff in Lampedusa eintreffen wird.

Muslime sollen Christen ins Meer geworfen haben

Italiens Öffentlichkeit reagiert indes geschockt auf Berichte über ein Dutzend Christen, die bei einer Meeresüberfahrt von muslimischen Bootsflüchtlingen ins Meer geworfen sein sollen. Die Tat sei religiös motiviert gewesen, hieß es von der Polizei in Palermo. 15 muslimische Bootsflüchtlinge aus Senegal und der Elfenbeinküste wurden am Donnerstag festgenommen. Die Opfer seien aus Nigeria und Ghana gekommen. Alle zusammen wären in einem Flüchtlingsboot gesessen, das am Dienstag an der libyschen Küste gestartet sei.

Die Ermittlungen gingen auf Aussagen anderer Flüchtlinge zurück, die ebenfalls in dem Boot gesessen wären. Diese berichteten, dass muslimische Bootsflüchtlinge einen minderjährigen christlichen Migranten ins Meer geworfen hatten, weil dieser laut zu Jesus gebetet hatte.

Italien wirft der EU indes weiterhin unzulängliche Unterstützung im Umgang mit der massiven Flüchtlingswelle aus Libyen vor. Die EU gebe lediglich drei Millionen Euro im Monat für die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer aus. "Das ist ein peinlich niedriger Betrag", klagte Außenminister Paolo Gentiloni am Freitag. "Die EU muss mehr für die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer unternehmen, das eine europäische Grenze ist. Zugleich muss sich Europa für eine Lösung der Konflikte einsetzen, die die Menschen zur Flucht nach Europa treiben", sagte die Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini.

EU wies Vorwürfe zurück

Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück. "Schuldzuweisungen bringen uns in der Frage nicht weiter", sagte eine Kommissionssprecherin am Freitag in Brüssel. Es gebe Gespräche darüber, "wie die Lage verbessert werden kann." Für das Problem gebe es aber keine "Wunderlösung von heute auf morgen".

Beim Kentern eines voll besetzten Bootes starben Anfang der Woche möglicherweise Hunderte Menschen, die Organisation Save the Children geht nach Berichten von Überlebenden von bis zu 400 Toten aus. Die Sprecherin der EU-Kommission unterstrich, dass es "überhaupt keine zuverlässigen Informationen" gebe, die die genannte Zahl belegen würden. Derzeit habe "die Kommission weder das Geld noch die politische Rückendeckung, um ein europäisches Grenzschutzsystem auf den Weg zu bringen, das Such- und Rettungsoperationen durchführen könnte".

Die Brüsseler Behörde untersuche aber, ob eine Aufstockung der Ressourcen der EU-Grenzschutzagentur Frontex "machbar oder wünschenswert" sei. Im Mai will die Kommission ein Strategiepapier zur Migrationspolitik vorlegen. (APA, red, 17.4.2015)