Wer den Yachthafen Port Adriano im Südwesten der Baleareninsel Mallorca besucht, kann hier das beliebte Gesellschaftsspiel "Sehen und gesehen werden" üben. In einer vom französischen Designer Philippe Starck gestalteten Shopping-Mall zeigt sich jeder, der sich für attraktiv und gut gekleidet hält. Drei Männer in Designerkleidung zum Beispiel: Gekämmt stolzieren sie mit ihren gebürsteten Hunden an den Leinen über den oberen Bereich, als wäre es ein Laufsteg.

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Auch das deutsche Galeristenehepaar Renate und Michael Pentzien weiß, dass es hier wichtig ist, gut auszuschauen. Der tägliche Blick in den Spiegel wird ihnen Antworten geben müssen:_Sitzt die Frisur, passt die Kleidung, kein Fleck, keine Flusen darauf? Die Galerie der beiden heißt Ahoi Gallery: Es gibt an diesem Platz keinen zwingenderen Namen. Hier kann man unter anderem Werke von Gunter Sachs bewundern, den Fotografen, den die Medien Playboy nannten.

Renate Pentzien, die ihre Gäste mit professioneller Herzlichkeit begrüsst, war einst seine Assistentin. Mittlerweile betreibt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann nicht nur die Galerie, sondern auch einen Verlag, in dem aufwändig gestaltete Bücher über Mallorca erscheinen. Man hat sich erfolgreich auf einer Insel eingelebt, die bekanntlich auch das 17. Bundesland Deutschlands genannt wird, und schon Generationen des Schickseins angezogen hat, wie das Ehepaar bestätigt – von Frank Sinatra bis zu Lady Di oder Leonardo di Caprio.

Die Gefahr der Langeweile

Natürlich könnte man ein zweites Gesellschaftspiel beginnen, das heitere "Wem gehört diese Yacht?"-Rätselraten etwa. Große, kleine, breite, schmale Luxusboote liegen hier. Man könnte in die Hauptstadt Palma de Mallorca fahren und zwei weitere noble Häfen wie den Club de Mar und den Real Club Náutico besichtigen – auf der Suche nach weiteren attraktiven Menschen, aber irgendwann würde ein Urlaub im Stil einer Seitenblicke-Revue doch auch langweilig werden.

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Deshalb scheint es ratsam sich zu fragen: Was ist reizvoll am Westen Mallorcas, und zwar im Frühjahr abseits von überfüllten Stränden – abgesehen von der Tatsache, dass es hier meist ein paar Grade mehr hat als in Österreich? Wie schaut sie aus, diese andere Seite der Insel, wo vom Ballermann vor allem in dieser Jahreszeit keine Spur ist?

Die Insel ist grün, die Sonne wärmt

Im Frühjahr herrscht hier eine Farbe vor, die man aus spanischen Sommerurlaubsorten auf dem Festland kaum kennt: Das Land ist grün wie eine Wiese im Frühling. Die Sonne wärmt, macht den Touristen aber noch keinen Stress. Die Region ist zu dieser Zeit fest in der Hand der Wanderer. Das Tramuntana-Gebirge im Nordwesten der Insel, seit 2011 Welterbe der Unesco, soll auch für wenig erfahrene Bergwanderer bezwingbar sein.

Das Märchenschloss-Hotel Castell son Claret, dass sich im Besitz des Logistik-Multimillionärs Klaus-Michael Kühne befindet.
Foto: Castell son Claret

Immer wieder sieht man Radfahrer, die über manch eine Steigung beharrlich in die Pedale treten. Es gibt aber auch viele leichtere Touren, die man in Angriff nehmen kann — und für Reisende, die es sich leisten wollen, Trainer, also professionelle Begleiter auf einer Radtour. Der ehemalige deutsche Radprofi Guido Eickelbeck ist so jemand. Natürlich sagt er, dass hier noch jeder erfolgreich war.

Man ahnt es irgendwie schon: Es begegnen auch dem Reisenden mit diesem Urlaubsschwerpunkt durchgestylte Menschen, das gehört einfach zu dieser Insel dazu wie das Meer - zum Beispiel könnte er auf Gäste aus dem Märchenschloss-Hotel Castell son Claret treffen, dass sich im Besitz des Logistik-Multimillionärs Klaus-Michael Kühne befindet.

Design für El und Ella

Das 132 Hektar große Anwesen existiert seit dem 15. Jahrhundert, Kühne hat es aufwändig umbauen lassen – und eine Gartendesignerin engagiert. Das ist gut so, denn die beiden uralten Olivenbäume El und Ella haben es verdient, inmitten des inseltypischen Baumbestands aus Mandel-, und Orangenbäumen, Bergamotte und Vetiver in Szene gesetzt zu werden.

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In der Küche wird anspruchsvolle Designarbeit geleistet, Essen, das mindestens so schön aussehen muss wie der Yachthafen Port Adriano – und mit Theaterdonner serviert wird.

In der Kleinstadt Port d’Andratx lässt es sich deutlich einfacher speisen, dafür kann man hier ein besonders extravagantes Museum besuchen. Das vom Architekten Daniel Libeskind entwickelte, an schrägen Linien und Perspektiven reiche "Studio" der US-Künstlerin Barbara Weill. Sie empfängt Besucher, erzählt mit Witz von ihrer Kunst und ihrem Leben. Und natürlich achtet auch sie mit 82 Jahren auf ihr Aussehen. Da muss alles zusammenpassen. Mallorca ist so. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 18.4.2015)