Die Angst vor "Foreign Fighters" dominiert die Berichterstattung über den Konflikt im Irak und Syrien. Immer wieder ist über junge westliche Extremisten zu lesen, die ausziehen, um in den beiden vom Krieg gezeichneten Ländern zu kämpfen. Die Berichterstattung über ausländische Kämpfer ist dennoch eindimensional, denn neben sunnitischen Extremisten werden auch tausende von Kämpfern in das Kriegsgebiet geschleust, um für Bashar al-Assad zu kämpfen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu schiitischen Milizen im Irak und Syrien:

Die sunnitischen Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) rekrutieren viele ihrer vorwiegend ausländischen Anhänger über soziale Medien. Wie rekrutieren die schiitischen Milizen?

Schiitische Milizen und ihre Rekrutierungsbewegungen sind durchaus auch in sozialen Medien aktiv. Viele Milizen haben oft gleich mehrere Facebook-Fanseiten, Twitter-Accounts und Youtube-Kanäle, um Videos, Fotos und Nachrichten über neue Operationen und Propaganda zu posten.

Das Gros der Anwerbungen findet jedoch nach wie vor in Moscheen und kleineren Gebetshäusern und auch in den Straßen statt. So werden Bilder von schiitischen Märtyrern plakatiert, auf denen sich Telefonnummern finden, die zu Rekrutierungshotlines führen, bei denen sich interessierte Extremisten melden können. Auch Postings in den sozialen Netzwerken sind oft E-Mail-Adressen und Telefonnummern solcher Hotlines beigefügt.

Generell scheint die Rekrutierung von schiitischen Milizionären sehr viel besser und zentraler organisiert zu sein als jene von sunnitischen Extremisten. In Callcentern werden die Bewerber bereits überprüft, ob sie in die Miliz passen, Lebensläufe werden abgefragt.

Auffallend ist auch, dass die Anwerbungsversuche besonders vor und während schiitischer Feiertage stark zunehmen. Die Rekrutierungskomitees versuchen dabei bewusst die religiös-emotional aufgeladene Stimmung der Festtage zu nutzen.


Kämpfen auch ausländische Extremisten an der Seite der schiitischen Milizen?

Ja. Es werden auch gezielt ausländische Kämpfer angeworben. Viele der ausländischen Kämpfer kommen aus Ländern, die große schiitische Minderheiten oder eine große schiitische Diaspora haben. So wurden Werbekampagnen auf Persisch, aber auch auf Urdu gestartet, um gezielt afghanische Hazara anzusprechen, die nun in Syrien an der Seite des Assad-Regimes kämpfen. Trotzdem stammt das Gros der schiitischen Kämpfer nach wie vor aus dem Irak, Syrien und dem Libanon. Teilweise werden Geschichten über ausländische schiitische Kämpfer (zum Beispiel aus Afrika) von den Rekrutierern medial bewusst hochgespielt, um zu zeigen, dass es sich hier um einen weltweiten schiitischen Kampf handelt.


Haben sich auch Kämpfer aus dem Westen den schiitischen Milizen angeschlossen?

Vereinzelt gibt es auch Berichte über Kämpfer aus dem Westen, die sich schiitischen Extremisten vor allem im Irak angeschlossen haben. Trotzdem ist das Ausmaß der Rekrutierung westlicher Kämpfer in keinster Weise mit jenem sunnitischer Gruppen vergleichbar. Im Gegenteil: Teilweise will man bewusst darauf verzichten. Einserseits aus Angst vor Infiltration durch westliche Geheimdienste, andererseits wegen der Angst vor verstärkter Aufmerksamkeit, die westliche Medien dann auf schiitische Extremistengruppen richten würden. Daher werden Anrufer aus dem Westen bei Rekrutierungshotlines nicht unbedingt mit Begeisterung empfangen. Auch die Kampagnen in den sozialen Medien konzentrieren sich nicht auf die Rekrutierung von Kämpfern aus dem Westen. (Stefan Binder, derStandard.at, 22.4.2015)