"Natürlich braucht's die Töchter", findet Hubert von Goisern, ein Verfechter der neuen Fassung der Bundeshymne.

Cremer

Über Andreas Gabalier sagt er: "Das spürt man einfach, dass da etwas ist, was einen abbeutelt."

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"Wenn Gabalier sagt, dass er das in der Volksschule so gelernt hat, das würde bedeuten, dass er seit der Volksschule nichts mehr dazugelernt hat."

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"Die Leute wissen, was Recht und Unrecht ist. Da kann man sich vielleicht auch dagegen immun machen."

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"Ich gehe lieber in die Natur und spür da die göttliche Schöpfung, als dass ich in die Kirche gehe und auf irgendeine Ikone hinschau."

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"Egal, für welche Partei man brennt, man macht den Mund auf und wird mit Dreck beworfen von allen Seiten."

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"Wenn das über Generationen passiert, dann dominiert das Männliche, dann ist über allen das Zumpferl."

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STANDARD: Sie sind sehr viel unterwegs, haben jahrelang im Ausland gelebt. Wo sind Sie zu Hause?

Goisern: Schon im Salzkammergut.

STANDARD: Was bedeutet Heimat für Sie?

Goisern: Heimat bedeutet in erster Linie Vertrautheit, das ist nicht nur das Salzkammergut. Ich war jetzt das dritte Mal in Grönland und habe dort einige Freunde gewonnen. Das ist dann auch ein Heimkommen, wenn man wieder hinkommt, wo man Freunde hat und wo die Silhouette einem vertraut ist. Aber am Stärksten ist das Gefühl im Salzkammergut.

STANDARD: Musikalisch sind Sie breit aufgestellt, probieren immer wieder verschiedene Genres aus und arbeiten mit sehr unterschiedlichen Musikern zusammen. Jetzt hat Sie der Blues gepackt. Wie kommt da Ihr Publikum mit?

Goisern: Den Blues kennen sie schon. Mit dem bin ich aufgewachsen, er war für mich der musikalische Türöffner. Von dort bin ich eigentlich zurückgekommen in die Volksmusik. Ich dachte mir, man kann die Volksmusik ja auch so spielen, denn das ist ja genau das Bluesschema.

STANDARD: Machen Sie Musik für das Publikum oder muten Sie dem Publikum zu, was Sie gerade interessiert?

Goisern: Letzteres. Ich könnte nicht für jemand anderen Musik machen, ich mache sie für mich und zähle drauf, dass es einigen gefällt.

STANDARD: Gibt es eine Botschaft, die Sie ans Publikum bringen wollen?

Goisern: Botschaften mag ich eigentlich nicht, schon gar nicht, wenn sie in Musik hineinverpackt sind. Aber man lernt natürlich ein paar Sachen im Leben und will die weitergeben, wenn man es als brauchbare Formeln oder Weisheiten erkannt hat. Aber ich bin selbst einer, der sich nicht gerne etwas sagen lässt, darum sage ich auch ungern anderen Leuten etwas. Da tu ich mir sogar bei meinen Kindern schwer. Es gibt ein Lebensgefühl, das lege ich auf den Tisch oder auf die Bühne. Ob wer etwas darin findet, ist den Leuten überlassen. Ich möchte kein Missionar oder Botschafter sein.

STANDARD: Ein Weltverbesserer sind Sie also nicht?

Goisern: Nein. Das trau ich mir nicht zu, das trau ich überhaupt niemandem zu. Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Respekt, Solidarität, solche Geschichten sind wichtig, von denen bin ich auch selbst abhängig.

STANDARD: Ein Lied auf Ihrer neuen CD ist Edward Snowden gewidmet. Nicht jeder ist in der Lage, solche Schritte wie er zu setzen. Was kann man selbst tun, um die Welt besser zu machen?

Goisern: Das ist doch klar: Wenn man Unrecht sieht, dass man etwas sagt, dass man das seinem Umfeld klarmacht. Das heißt noch lange nicht, dass man die Situation verändert, aber es ist ganz wichtig, dass man dieses Feedback gibt und die anderen wissen, das geht jetzt nicht durch. Es gibt so etwas wie ein Gewissen. Die Leute wissen, was Recht und Unrecht ist. Da kann man sich vielleicht auch dagegen immun machen. Gegen diese Immunität anzukämpfen und statt der Immunität die Sensibilität zu fördern, das finde ich schon wichtig.

STANDARD: Verfolgen Sie die österreichische Politik mit?

Goisern: Ja, schon.

STANDARD: Und wie geht es Ihnen damit?

Goisern: Die letzte Fassungslosigkeit ist diese Rauchergeschichte. Das ist ein typisches Beispiel. Wenn man so etwas nicht lösen kann, dann sinkt das Vertrauen.

STANDARD: Jetzt ist es ja gelöst.

Goisern: Es wird irgendwann gelöst. Warum kann man nicht sagen, ab jetzt gilt das Rauchverbot, und wir gehen vor die Tür? Ich bin selbst auch Raucher. Ich finde es eigentlich lässig, vor die Türe zu gehen. Steht man mit anderen Leuten zusammen. Es ist schon unglaublich zaghaft - und es geht nichts weiter.

STANDARD: Finden Sie, dass Sie genug Steuern zahlen, zahlen Sie zu viel oder könnten Sie sich vorstellen, mehr zu zahlen?

Goisern: Ich kann mir vorstellen, mehr zu zahlen. Ich habe es selbst erlebt, von der Hand im Mund zu leben und von der Unterstützung anderer abhängig zu sein. Ich habe nie Notstandshilfe in Anspruch genommen, auch wenn ich nichts verdient habe. Ich hab mir gedacht, das ist mein persönlicher Film, dass ich dieses Leben leben will, und das will ich mir nicht finanzieren lassen durch Leute, die arbeiten und vielleicht einen Job machen, der ihnen nicht taugt, und dafür Steuern zahlen. Die müssten dann mich erhalten, der machen will, wovon er träumt. Ich kenne die Situation, wo man nichts hat, wo man keinen Kredit kriegt für irgendetwas. Dann kommt man plötzlich in die Liga, wo einem nichts mehr abgeht, wo man reich ist. Dann geht auf einmal alles so leicht. Dann kann man abschreiben, dann kann man es sich richten. Das finde ich nicht gut. Echt nicht. Dass die, die nichts haben, es so schwer haben, dass sie irgendwie über die Runden kommen. Und kaum hat man diese Schwelle überschritten, stopft man es dir hinein. Jetzt bin ich aber trotzdem immer noch ein kleines Radl. Das potenziert sich dann noch einmal, wenn es in die richtig großen Firmen hineingeht wie Amazon oder Apple, die dann überhaupt keine Steuern mehr zahlen. Ich zahle immerhin noch 50 Prozent Steuer von dem, was überbleibt. Das kann doch nicht sein, dass die Politik das nicht in den Griff kriegt und von der Wirtschaft vor sich hergetrieben wird. Mir ist das ein Rätsel, dass hier keine Solidarität aufkommt. Es gibt die EU und die Möglichkeit, dass viele Staaten an einem Strang ziehen, und es passiert noch immer nichts.

STANDARD: Können Sie sich vorstellen, sich politisch zu engagieren?

Goisern: Nein, ich würde das nicht aushalten. Denn egal, für welche Partei man brennt, man macht den Mund auf und wird mit Dreck beworfen von allen Seiten. Ich würde das persönlich nehmen. Ich weiß nicht, ob ich dazu fähig wäre.

STANDARD: Gerade in dem Genre, aus dem Sie kommen, gibt es viele Vereinnahmungsversuche.

Goisern: Es sind eigentlich nur die Grünen auf mich zugekommen, das war in den 1990er-Jahren. Im Herzen bin ich eh ein Grüner, mit fortschreitendem Alter nerven sie mich zwar auch. Vielleicht geht das mit einer Enttäuschung einher, dass nicht mehr daraus geworden ist. Trotzdem muss man froh sein, dass es die Grünen gibt. Dass diese Denke und diese Farbe in unseren Köpfen eine Rolle spielt. Vor zehn, zwölf Jahren habe ich meinen Unmut bei den Grünen geäußert, weil nichts weitergegangen ist und weil sie sich so schlecht verkauft haben. Ich wollte bei einem Parteitag zuhören kommen und ihnen ein Feedback geben. Das wäre nicht möglich, haben sie mir gesagt, weil ich kein Mitglied war. Ich habe sie seit zehn Jahren unterstützt, aber es war einfach nicht möglich. Die sind ja genauso arg, wenn nicht ärger als die anderen Parteien. Man muss in diese Strukturen rein, muss sich raufdienen, und dann darf man auch einmal was sagen.

STANDARD: Sie haben der FPÖ verboten, Ihre Musik auf Parteiveranstaltungen zu spielen. Wird das eingehalten?

Goisern: Es hat einen Wiederholungsfall gegeben. Ich habe sie gebeten, davon Abstand zu nehmen. Das war mein Wording, mehr kann ich nicht machen, das wissen sie. Wenn sie sich darüber hinwegsetzen, nutzt es auch nichts, wenn ich dreimal aufstampfe.

STANDARD: Was halten Sie von Andreas Gabalier?

Goisern: Vor zwei Jahren haben wir beide einen Amadeus bekommen, ich einen, er zwei. Sein Management wollte unbedingt ein gemeinsames Foto. Ich habe Ausschlag bekommen. Und habe mich aber auch nicht Nein sagen getraut. Es war ein ungutes Gefühl, und ich habe es aber trotzdem gemacht. Ich habe gedacht, es ist unfair, dass ich den nicht mag. Ich kenn ihn überhaupt nicht. Nur weil er Musik macht, die mir nicht gefällt, ist das kein Grund, den Menschen nicht zu mögen. Aber nach dem, was seither passiert ist, hab ich die Bestätigung. Das spürt man einfach, dass da etwas ist, was einen abbeutelt. Nicht jeden, es gibt ja einen Haufen Leute, die es nicht abbeutelt. Überspitzt ausgedrückt kann man sagen, 30 Prozent der Österreicher sind für solche Sprüche, für so eine Musik und so eine Attitüde empfänglich.

STANDARD: Was sagen Sie zur Töchter-Debatte? Gehören die Töchter in die Bundeshymne?

Goisern: Natürlich braucht's die Töchter. Wir haben großartige Frauen im Land, auf die wir stolz sein können, warum sollen wir nur die Söhne besingen? Da auf Werktreue zu pochen ist Schwachsinn. Leute, die sagen, das war immer so, das muss so bleiben, das ist ein Blödsinn. Wenn Gabalier sagt, dass er das in der Volksschule so gelernt hat, das würde bedeuten, dass er seit der Volksschule nichts mehr dazugelernt hat. Und wenn er auf Werktreue pocht, dann soll er es bitte so singen, wie die Melodie ist. Das passt ja alles nicht zusammen. Aber länger darauf einzugehen ist schade um die Zeit.

STANDARD: Sie zeigen sich in Ihrem neuen Film sehr naturverbunden. Was finden Sie in der Natur? Könnten Sie sich vorstellen, in der Stadt zu leben?

Goisern: Ich habe sieben Jahre in Wien gewohnt und mich hier sehr wohl gefühlt. Ich brauche das urbane Umfeld, um kreativ zu sein. In der Natur habe ich nicht das Bedürfnis, zu musizieren, da fallen mir auch keine Melodien ein. Da denke ich nicht darüber nach, da höre ich die Vögel, da höre ich das Rauschen und denke mir, es ist alles perfekt. Ich mag das Archaische der Natur. Ich gehe lieber in die Natur und spür da die göttliche Schöpfung, als dass ich in die Kirche gehe und auf irgendeine Ikone hinschau. Obwohl ich dem auch was abgewinnen kann.

STANDARD: Müssen Sie reisen, um künstlerische Inspiration zu finden, oder spielt sich das im Kopf ab?

Goisern: Das spielt sich im Kopf ab. Aber ich bin ein neugieriger Mensch und schau auch gerne von außen auf mein Tun und Lassen und mein Leben in Österreich oder in Salzburg. Es hilft schon, die Perspektive zu wechseln.

STANDARD: Sie sind Musiker, waren Schauspieler, haben Mode gemacht, Bücher geschrieben. Was kommt noch, und was kommt ganz sicher nicht?

Goisern: Es gibt viele Pläne, die ich teilweise schon seit Jahren oder Jahrzehnten mit mir herumtrage. Eine Oper zu schreiben zum Beispiel. Da habe ich das Gefühl, das passiert sicher nicht. Dann kommen wieder Momente, wo ich mir denke, eigentlich könnte ich das schon noch machen. Oder einen Roman zu schreiben. Ich habe das Buch Stromlinien über die Schiffstour geschrieben, die ich gemacht habe. Das war ein Sachbuch, da muss man sehr vorsichtig umgehen mit dem, was man schreibt, das betrifft ja konkrete Personen. Danach habe ich mir gedacht, das nächste Buch, das ich schreibe, ist Fiktion. Da kann man jeden alles sagen lassen, ob es politisch korrekt ist oder nicht. Ideen habe ich ein paar für ein Buch, aber ob das einmal passiert, das weiß ich nicht.

STANDARD: Was bedeutet Sprache für Sie?

Goisern: Faszinierend. Ist vielleicht die höchste Kulturform, die die Menschheit entwickelt hat. Da kann man viel anrichten damit, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Darum bin ich auch ein totaler Verfechter der Töchter in der Hymne. Das sind alles Mantras, darum habe ich auch ein großes Problem mit den monotheistischen Religionen, weil die alle zu einem Gottvater, zu einem Herrn beten. Wenn das über Generationen passiert, dann dominiert das Männliche, dann ist über allen das Zumpferl. (Michael Völker, DER STANDARD, 18.4.2015)