STANDARD: Was sagen Ihnen die Zahlen 39, 76, 33, 263?

Holub: Eine unlogische Reihe?

STANDARD: Das ist die Zahl der Natur-, Landschafts- , Europaschutzgebiete und Naturdenkmäler Kärntens; stehen unter Ihrer Ägide als Naturschutzreferent. Etwa der Entenschnabel-Fels in der Lavant ...

Holub: ... oder die Kalktuffquelle, die wir demnächst unter Europaschutz stellen wollen.

STANDARD: Ihr eigenes Grundstück am Wörthersee ist ein geschützter Sumpf, Sie dürfen nur in Gummistiefeln drübergehen?

Holub: Ich darf auf einem Fuß durch den Sumpf hüpfen; auch Bäumefällen ist problematisch.

STANDARD: Ex-Landeschef Dörfler ist leidenschaftlicher Holzfäller.

Holub: Das sind aber nicht seine einzigen Fälle, manche Felle schwimmen ihm davon. Unser Grund ist auch für den Vogelschutz interessant: Da machen die Zugvögel ihren Zwischenstopp.

STANDARD: Sie sind Ornithologe?

"Ich wurde wegen meiner Hypo-Recherchen Landesverräter genannt."
Foto: STANDARD/Hendrich

Holub: Nein, aber mein Bruder. Er war immer der Talentiertere von uns beiden. Er hat auch bis zur Matura Klavier studiert, ich nur bis zur Mittelstufe Trompete.

STANDARD: Mit ihm haben Sie Musik gemacht, bevor Sie Schlagzeuger und Sänger der Band "Three Tight" wurden. Ihr Medizin- und Kommunikationswissenschaftsstudium haben Sie nie beendet. Ihre Abschlussarbeit "Kultur unter Jörg Haider" auch nicht?

Holub: Mein Pressesprecher ist noch nicht dazugekommen, sie irgendwo abzuschreiben.

STANDARD: Sie gingen wegen Haider in die Politik, weil er Sie 2003 von der Liste für einen Kabarettpreis gestrichen hat. Sind Sie wirklich immer beim Hintereingang ins Landhaus gegangen, weil Sie der Portier nicht gegrüßt hat?

Holub: Nein. Aber ich wurde damals wegen meiner Hypo-Recherchen Landesverräter genannt. Sie haben mich gegrüßt, aber ich war halt nichts Besonderes.

STANDARD: Heute schon?

Holub: Nein.

STANDARD: Gerade hat Sie aber eine Frau erkannt und angesprochen.

Holub: Ich werde oft mit kleinen dicken Menschen verwechselt.

STANDARD: Als Junger waren Sie beim Bund sozialistischer Akademiker und Künstler (BSA), warum sind Sie dann bei den Grünen gelandet?

Holub: In den BSA wurde ich hinein gewählt. Bei den Roten war ich nicht, weil mir ihre Volksgruppenpolitik zu rechts war. Ich habe damals ja Medizin studiert und versucht, biologische Vorgänge zu verstehen. Mir haben Konrad Lorenz und Rupert Riedl gut gefallen, und auf der roten Seite hatten sie keine Antworten, um die Wunden der Natur zu reparieren. Darum die Grünen.

STANDARD: Sie haben sich intensiv mit der Hypo beschäftigt. Sie sehen den Skandal als Mischung von Inkompetenz und Borniertheit, Geldumverteilung von unten nach oben, Kickbacks inklusive?

Holub: Die Hypo bildet die Defizite unserer Gesellschaft ab. Versäumnisse bei Aufsicht und Politik, Oberflächlichkeit, Probleme-Ignorieren, Aufsichtsräte, die Tischvorlagen nicht verstehen, weil sie auf Englisch sind: Das war die Mischung.

STANDARD: Was hat Sie am meisten überrascht dabei?

Holub: Dass das niemanden interessiert hat. Und, dass das Prinzip heute noch ähnlich ist. Die Berater sind die Gleichen; viele Politiker sind noch da, manche weg oder tot. Nur die Summen, um die es geht, werden immer höher. Mich wundert, dass ein System, das bisher nicht gelernt hat, weiterhin nicht lernt.

STANDARD: Weil es zunächst nicht ums eigene Geld gegangen ist?

Holub: Es ist, wie wenn man von oben auf eine Stadt hinunterschaut und sich wundert, dass in vielen Wohnungen das Licht brennt, obwohl keiner daheim ist. Würde das jeden tausend Euro kosten, hätte einer das Licht abgedreht.

STANDARD: Sie sagten einmal, die Leute werden von der Politik so lange belogen, so lange es Geld gibt. Dann ist nun Schluss mit den Lügen?

Holub: Möcht man glauben. Ich habe mich geirrt.

STANDARD: Sie sagen, über das Kärntner Rechtsempfinden sei eine Hornhaut gewachsen, die Justiz sei zahm, die Politik verdorben gewesen. Warum gerade in Kärnten?

Holub: Ist man durch schlechte Politik an Intransparenz oder Verdorbenheit gewohnt, empfindet man das mit der Zeit als normal. Damals war normal, dass in Kärntner Zeitungen ganzseitige Inserate erschienen, in denen es hieß, "Kärnten wird Tschetschen-frei." Das hat mich so schockiert, dass ich Haider wegen Volksverhetzung angezeigt habe.

STANDARD: Ohne Ergebnis?

Holub: Ja. Es gab auch den Spruch: "Kärnten wird einsprachig." So eine unfassbare Dummheit!

"Nach unserem Sieg bei der Großen Chance 1980 kam kein einziger Gast zum nächsten Konzert."
Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: Apropos: Rund um den Ortstafelkonflikt haben Sie den Gleichheitsgrundsatz, Artikel 7 der Verfassung, vertont. Was würden Sie heute gern zu Musik machen?

Holub: Alles, was nicht umgesetzt wird. Ich dachte damals, ich vertone den Artikel Sieben wenigstens, damit es irgendeinen Sinn hat, dass ihn wer geschrieben hat.

STANDARD: Was fiele Ihnen zum Bankensanierungsgesetz ein, unter dem die Hypo abgewickelt wird?

Holub: Marschmusik.

STANDARD: Hat Ihre Band "Three Tight" damals eigentlich viel Geld verdient?

Holub: Sehr viel. In den 70ern und 80ern hat man als Musiker sicher das Doppelte von einem Arzt bekommen.

STANDARD: 1980 haben Sie in der allerersten "Die große Chance" des ORF gewonnen, mit dem Lied " Funkytown". Am nächsten Tag wurden Sie und Ihre Freunde schon als Fernsehstars beworben, im Lokal "Hobby" in Krumpendorf ...

Holub: ... ist aber kein einziger Gast gekommen. Wir haben trotzdem gespielt.

STANDARD: Angeblich können Sie besonders gut zwischen den Bösen und Guten unterscheiden. Haben Sie sich da bei der Hypo je geirrt?

Holub: Wo hab ich bloß meine moralischen Fundamente her? Vielleicht hab ich zu viel Raumschiff Enterprise geschaut. Ich weiß gar nicht, ob es Gut und Böse überhaupt gibt, das ist ja immer nur pro Situation, pro Gesellschaft zu verstehen. Schauen Sie nur, was in Amerika alles verboten ist, was woanders Spaß macht: unfassbar. In der Hypo haben 90 Prozent der Leute nicht absichtlich Böses getan; es gab viele Irrtümer.

STANDARD: Irrtümer?

Holub: Ja, der größte war sicher, dass man in den 90ern das Kapital freigelassen hat und nicht mehr einfangen konnte. Die ökonomische Idee, das werde sich schon regulieren, war Irrsinn. Seither gibt es Umverteilung von unten nach oben, die sich nie mehr regulieren wird. Die Armen werden bestohlen, die Staaten haben kein Geld, um ihren Job zu machen.

STANDARD: Warum geht in Österreich keiner auf die Straße dagegen?

Holub: Wenn’s doch so kalt ist.

STANDARD: In Kärnten ist es warm.

Holub: Wir waren 2012 jeden Freitag für Neuwahlen demonstrieren, zum Schluss zu zweit. Und wir haben die Wahlen bekommen.

STANDARD: Weil wir grade bei den Temperaturen waren. Haben Sie eigentlich schon auf Pellets-Heizung umgestellt? Das haben Sie sich vorgenommen, als Sie Umweltlandesrat wurden.

Holub: Ja. Wir hatten es oft sehr kalt im Winter. Diese Heizung ist klüger ich als ich; der Computer tut was er will.

STANDARD: Noch zu Ihrer Kapitalismuskritik. Sie kommen mütterlicherseits aus gutbürgerlicher Familie, haben ein Haus am See geerbt, verdienen 6000 Euro netto im Monat. Sie nennen sich doch selbst einen "G’stopften"?

Holub: Bin ich auch im Vergleich zu sehr vielen anderen.

"Meine Sonne ist schon noch am Himmel."
Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: Im "Lindenhof", den später Ihr Opa gekauft hat, hat Gustav Mahler 1900 gewohnt ...

Holub: Von 21. Juni bis 15. August. In meiner Kindheit haben wir dann an Sommerfrischler vermietet: Da hast du keine Schublade aufmachen können, in der nicht ein Holländer drin gelegen ist.

STANDARD: Und Sie mussten als Kind im Zelt draußen schlafen?

Holub: Genau. Es ist Luxus dort am See, in der Sonne, am Wasser.

STANDARD: Die Sonne ist doch noch am Himmel?

Holub: Meine schon.

STANDARD: Ihr Künstlerdasein begann, als Sie mit 15 Statist wurden. Haben Sie da schon Geld verdient?

Holub: 20 Schilling je Vorstellung. Ich hab sofort für mich und meine Freunde verhandelt, wir haben dann 50 Schilling bekommen.

STANDARD: Und: Provision für diesen Erfolg bekommen?

Holub: Aber nein. Ich denke nicht in Geld und nicht in Prozent. Ich mache, was mir Spaß macht.

STANDARD: Ist nicht jeder käuflich?

Holub: Ich nicht. Da würde ich mich selbst total verraten. Ich bin genau deswegen in die Politik gegangen, weil mich diese Käuflichkeit so angezipft hat.

STANDARD: Sie haben sich als Politiker nie verraten?

Holub: Verbogen ein bisserl.

STANDARD: Mit der Zustimmung zur Erhöhung der Parteienfinanzierung 2009?

Holub: Da hat man uns erpresst.

STANDARD: Sie vertreten jetzt aber auch Projekte, die Sie früher bekämpft haben. Sie eröffnen Brücken, die zum Koralmtunnel gehören ...

Holub: Ab einem gewissen Punkt muss man sich entscheiden: Sind wir weiterhin dagegen oder ändern wir unsere Richtung; so wie die Grünen das nach dem EU-Beitrittsentscheid getan haben. Den Koralmtunnel jetzt zuzuschütten, wäre dumm.

STANDARD: Ist das Pragmatismus oder Verbiegen?

Holub: Eher Ersteres. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es auch ideologisch dumm, weiter zu opponieren, da macht man die Dinge besser fertig. Außer natürlich, es geht um Untragbares.

STANDARD: Im HCB-Umweltskandal rechtfertigen Sie sich, Sie seien von den Beamten zu spät informiert worden. Sie treten nicht zurück, weil nur Sie "die richtigen Schritte" setzen. Das ist die klassische Reaktion etablierter Politiker. Keinen Fehler gemacht?

Holub: Es sind Fehler passiert, aber nicht bei mir. Man hat das Problem auf vielen Ebenen unterschätzt und nicht kommuniziert. Man hat mir ein, zwei Jahre nichts gesagt. Das Gift Hexachlorbenzol war nicht in der Luft, sondern im Boden – und diese Daten hat man uns nicht gegeben. Wenn man mir im U-Ausschuss einen Fehler nachweist, trete ich sofort zurück.

STANDARD: Sie sagen, der Unterschied zwischen Künstlern und Politikern sei, dass letztere die schlechteren Schauspieler sind. Was macht einen schlechten Schauspieler aus?

Holub: Dass man merkt, dass er schauspielt.

STANDARD: Sie selbst haben in "Der Fall" den Leichnam Titos gespielt – und sich dabei die Rippe gebrochen. Wie geht das?

Holub: Indem man sich auf Kollegen verlässt, die einen fallen lassen. Dabei hatte ich bei der Generalprobe noch einen Rüffel bekommen: "Die Leiche hat still zu sein."

"Ich habe Haider oft erlebt: Fünf, sechs verschiedene Anzüge für fünf, sechs Veranstaltungen amTag. Haider war immer ein anderer."
Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: "DER STANDARD" schrieb damals: "Holub spielt Tito beneidenswert ruhig."

Holub: Die wussten, dass ich mit die Rippe gebrochen habe. (lacht) Die Rolle war relativ undankbar.

STANDARD: Noch zur Politik. Hat nicht jedes Land die Politiker, die es verdient?

Holub: Nicht immer. Manche haben einfach Pech.

STANDARD: Aber die Kärntner haben Haider immer wieder gewählt.

Holub: Weil er ein ganz ausgezeichneter Schauspieler war. Er konnte, was gute Darsteller ausmacht: Er hat das, was er sagte, in dem Moment wirklich geglaubt, sich in seine Rolle hineintheatert. Ich habe ihn oft erlebt: Fünf, sechs verschiedene Anzüge für fünf, sechs Veranstaltungen amTag. Haider war immer ein anderer.

STANDARD: Gab es einen Haider, der Ihnen sympathisch war?

Holub: Ja. Der, der blitzgescheit war, Probleme schnell verstanden und Lösungen angedacht hat, drei Sachen gleichzeitig tun konnte.

STANDARD: Woran ist er gescheitert?

Holub: Die Kurven zwischen manisch und depressiv sind steil. Und wenn man keinen Gegner mehr hat, ufert man aus, hat keine Schranken mehr.

STANDARD: Haben die Wiener Haider und die Hypo-Banker in Kärnten einfach machen lassen, damit sie Ruhe im Bund geben?

Holub: Schüssel hat Haider in sein Kinderzimmer Kärnten gesperrt, damit er im Wohnzimmer nichts kaputt macht, und ins Kinderzimmer hat niemand hineingeschaut. Nicht einmal, als die Ortstafeln verrückt wurden: Da hab ich den Bundespräsidenten gebeten, das Bundesheer zu holen – denn bei meiner Verfassung bin ich ganz puristisch. Aber es ist nichts geschehen. Es hatte ja niemand Lust, sich mit ihm anzulegen. Haider hat absichtlich Grenzen überschritten, die Meute zum Heulen gebracht und all das mit Entertainment vermischt – und schon wieder hatte er die Coverseite im News.

Haider ist im Gegensatz zu allen anderen Politikern in die Welt gegangen und hat mit den Leuten geredet. Er hat ihnen die Hand gegeben und so alle begnadigt: Wenn der König kommt und seinem Untertanen die Hand reicht, sagt er im Subtext: Du wirst nicht hingerichtet - und du kriegst noch 100 Euro Teuerungsausgleich. Das war zwar von oben herab, aber die Menschen sind reihenweise angestanden um die 100 Euro zu holen und Jörg Haiders Hand zu bekommen. Im Winter, in Zweierreihen, in der Bahnhofstraße in Klagenfurt.

STANDARD: Österreichisches Obrigkeitsdenken?

Holub: Österreich ist eine Mischung aus Demokratie und Habsburgerreich. Die Leute spüren die Demokratie noch nicht so; wir sind ein genetisches Kaiserreich.

STANDARD: Und Sie haben Haiders Autokennzeichen, Dobernigs Fahrer, Dörflers Handynummer geerbt?

Holub: Wir Grünen recyclen alles.

STANDARD: Hat das Unsympathische an Haider überwogen?

Holub: Sicher, in Kärnten wurde archaische, frauenfeindliche Politik gemacht. Drum sind ja so viele Junge und Künstler weggegangen, wollten sich nicht mit Kärnten in Verbindung bringen lassen. Wär ich nicht in die Politik gewechselt, wär ich auch gegangen.

STANDARD: Wohin?

Holub: Auf eine Insel? Griechenland wäre schön ...

STANDARD: ... und auch pleite.

Holub: Da könnte man gleich ein bisschen fachsimpeln. Ich habe vor hunderten von Jahren mit fünf Freunden in Athen ein Schiff gekauft. Ein Muscheltaucherboot: zwölf Meter lang, zwölf Tonnen, Segel, Dieselmotor. Ohne Kompass über die Adria bei Seegang mit Zwölf-Meter-Wellen: Die erste Todesangst im Leben ist wirklich super. So was hat man bei uns im Binnenstaat nicht. Manchmal waren wir auch schiffbrüchig. Vor Othonoi zum Beispiel. Der Motor war verstorben, wir trieben auf Albanien zu. Wir haben die ganze Nacht getüftelt, wie man mit einem kleinen Schlauchboot ein großes Boot auf eine unbewohnte Insel bringt. Das war eine physikalische Frage. Wir haben das Schiff dann mit zwei festen Stangen abgeschleppt, weil, wenn man ein Seil nimmt, wickelt sich das kleine Boot ums große. Learning by doing.

STANDARD: Wie hieß das Boot?

Holub: Kann ich nicht sagen. Das können Sie nicht veröffentlichen.

STANDARD: Ich schreibe doch auch, dass Sie für Haider das Lied "Sun of the beach" geschrieben haben.

Holub: Er hat’s aber nie gehört. Das Boot hat "Rigromola" geheißen.

STANDARD: Versteh ich leider nicht.

Holub: Ein Freund hat im Rausch "Rigromola" draufgepinselt: "Die riesengroße Morgenlatte". (lacht)

STANDARD: (lacht) Wie lange gab’s das Schiff?

Holub: Es ist untergegangen. Der, der es repariert hat, erlitt einen Schlaganfall und konnte sich nicht mehr erinnern, wo das Schiff lag. Es war einfach weg.

STANDARD: Ende März sind Sie mit Ihrer Beach Band zuletzt aufgetreten. Sind Ihre Auftritte auch psychohygienisch begründet?

Holub: Natürlich. Das Leben würde mir sonst keinen Spaß machen.

STANDARD: Worum geht’s im Leben?

Holub: Darum, glücklich zu sein. (Renate Graber, DER STANDARD, 18.04.2015)