Wien - Hans Kontner verlässt sich nicht mehr auf die Friedhöfe. "Die Jugend hat für geschmückte Gräber halt nur noch wenig über." 105 Gärtner tummelten sich in den 40er-Jahren auf dem Wiener Zentralfriedhof, rechnet er vor. Heute seien es gerade noch ein Dutzend, und Kontner ist einer von ihnen.

Fast mitten in der Stadt pflanzt er auf 12.000 Quadratmetern Blumen für Balkon, Garten und Gräber. In der Hochsaison arbeiten 40 Leute für ihn. Er sei gern draußen bei den Kunden, an der frischen Luft, selbstständig und sein eigener Herr, erzählt er. "Kein Tag ist wie der andere." Leicht sei es aber nicht, gegen die Konkurrenz der großen Ketten zu bestehen. "Nehmen S' ein kleines Töpfchen Pelargonien." Ein Lebensmittelkonzern werfe es gerade um 1,29 Euro auf den Markt. Ein Blumenladen müsse dafür im Großhandel für gleich breite Töpfe um 25 Cent mehr bezahlen. Weil das Pflänzchen größer sei, was unter Glas die Heizkosten erhöhe. Und weil regionaler Anbau teurer sei als zugweiser Import aus Belgien oder Ungarn.

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Nicht nur beim Anbau von Primeln zählt jeder Cent. Österreichs Gärtner konkurrieren mit günstiger Containerware aus dem Ausland.
Foto: apa/Rolf Haid

Seit er einst Supermärkte mit frischem Schnittlauch versorgte, um die Hälfte des Preises gedrückt und letztlich durch Grünzeug aus Holland ersetzt wurde, vertreibt er seine Blumen nur mehr direkt an die Konsumenten. "Hier kann ich noch mit Qualität und Beratung reüssieren." Und er fand Nischen: Kontner begrünt Restaurants und Schanigärten. Im Winter bietet er wärmebedürftigen Pflanzen Dünger und Unterkunft. Auch wenn gespart werde - für Karibikflair am Gartenpool seien die Wiener nach wie bereit, Geld auszugeben.

Kein grüner Boom

700 Millionen Euro lassen sich die Österreicher den grünen Daumen im Handel kosten, 250 davon kommen Pflanzen zugute. In die Gartengestaltung werden im Jahr zusätzlich gut 190 Millionen investiert, den Pfusch nicht inkludiert. Zu diesen Zahlen kommt Marktforscher Andreas Kreutzer, der dafür den direkten Absatz der Hersteller unter die Lupe nahm.

Den vielzitierten grünen Boom kann er nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Der Umsatz der Gartenprodukte sei im Vorjahr um zwei Prozent gesunken. Und daran änderten auch Wiener Bobos nichts, die in Hochbeeten Biogemüse ziehen. "Natürlich wollen die Leute ein verlängertes grünes Wohnzimmer. Aber nicht, um darin zu arbeiten." Ein wenig Unkrautzupfen sei schon drinnen, ansonsten werde der Aufwand gering gehalten.

Was erklärt, warum ausschließlich die Verkaufszahl bei Rasenrobotern und automatischen Bewässerungsanlagen steigt. Bei Letzteren sieht der Chef von Kreutzer Fischer & Partner Wachstumsraten von 13 Prozent. Sie finden sich zunehmend auch auf Terrassen im mehrgeschoßigen Wohnbau.

Auch auf dem Land sei das Ziehen jungen Gemüses statt Pflicht nur noch Zier, ist er überzeugt: In Zeiten der wachsenden Zahl an berufstätigen Frauen und des billigen Bioangebots der Supermärkte verlieren Nutzgärten an Boden. Und pflegeintensive Blumen weichen genügsamerem Grünzeug.

Nachwehen der Begrünung

Auch die öffentliche Hand leide heute unter dem Trend zur Begrünung der vergangenen Jahre, sagt Kreutzer. Bäume und Büsche seien ja rasch gepflanzt, ihre Pflege aber personalintensiv und teuer. Zumal die dafür zuständigen Bauhöfe ihren Personalstand österreichweit kräftig aufstockten.

Die Gärtnerei Kontner zählt seit 111 Jahren zu den kleinen Nahversorgern der Branche. Zwei Drittel des Marktes sind in Hand großer Baumärkte und Gartencenter. Bis zu einem Zehntel verteilt sich auf alternative Vertriebswege wie Lebensmittelketten. Selbst wenn ein Supermarktkonzern die Hälfte eines Containers wegwerfe, da die Jungpflanzen verwelkten, tue der Rest, verteilt auf hunderte Filialen, immer noch weh, sagt Bellaflora-Chef Alois Wichtl. "Riesenmengen werden hier angeboten - aber das Sortiment ist begrenzt. Wir erstarren nicht vor Schreck."

Bellaflora setzt in 26 Märkten 81 Millionen Euro netto um und zeigt sich mit den Erträgen zufrieden. Groß expandiert wird nicht mehr. Flächen von bis zu 9000 Quadratmetern, wie sie das Unternehmen braucht, werden auf der grünen Wiese nur noch selten vergeben.

Größter Unsicherheitsfaktor im Gartengeschäft bleibt das Wetter. "Ein Lotteriespiel", sagt Kontner. "Regnet es, ist der Tag gelaufen." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 18.4.2015)