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In Österreich oft nicht legal: Mountainbiken im Wald.

Foto: APA/dpa/Arno Burgi

Vor 40 Jahren wurde mit der Verabschiedung des Forstgesetzes das Betretungsrecht im Wald geregelt. Das Gesetz erlaubt Wanderern, Spaziergängern und Skifahrern das jederzeitige Betreten des Waldes zu Erholungszwecken. Dass Radfahrer im Jahr 1975 von dieser Wegefreiheit ausgeschlossen wurden, mag einen simplen Grund haben: Vor 40 Jahren gab es keine Mountainbikes, und niemand dachte daran, mit seinem Fahrrad auf Forststraßen und Wanderwegen die Natur zu genießen.

Heute gibt es allein in Österreich rund 800.000 Mountainbiker. Nach wie vor wird ihnen das Befahren von Straßen und Wegen im Wald untersagt. Mehr als je zuvor werden sie für das simple Befahren von Forststraßen kriminalisiert und mit zivilrechtlichen Verfahren konfrontiert. Die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl (FAST) in Mitterdorf im Mürztal bietet für Jagd- und Forstorgane und Grundbesitzer Seminare an, um gezielt gegen Mountainbiker vorgehen zu können.

"Trutzpartien" gegen Verbote

Dagegen regt sich Widerstand. Mountainbiker agieren mit "Trutzpartien". Fahrräder werden auf verbotenen Forststraßen geschoben. Das kann nicht verboten werden und macht die Absurdität der gegenwärtigen Gesetzeslage deutlich. Vorbild dieser Biker-Demos sind jene Trutzpartien, mit denen vor mehr als 100 Jahren Wanderer, Bergsteiger und Erholungssuchende begonnen hatten, der Willkür von Adel, Jagd und Grundbesitz zu trotzen. Was sich Wanderer, Schwammerlsucher und Skitourengeher heute nicht mehr vorstellen können, ist für Biker Realität: Für die Ausübung ihres Hobbys sind sie vom Wohlwollen der Grundeigentümer abhängig. Und ein wenig hat man den Eindruck: Die Freunde des naturnahen, gesunden und ökologisch unbedenklichen Mountainbikesports büßen für den Groll, den eine Minderheit gegen die seit 1975 bestehende Wegefreiheit hegt.

Die Biker trutzen nicht nur, etwa am 25. April in Wien, sie agieren auch mit Argumenten. Sie wollen ein wenig Klarheit in eine Diskussion bringen, in der eine Reihe von Nebelgranaten die Sicht auf die Fakten behindert.

Nebelgranate Nummer eins: Es gibt ohnehin genügend freigegebene Strecken

"Freigegebene Strecken" in nennenswertem Ausmaß gibt es rund um Ballungsgebiete und in den Tourismusbundesländern Salzburg und Tirol sowie im Salzkammergut auf den Flächen der Bundesforste. Weitere Freigaben scheitern entweder am damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Aufwand oder am Unwillen der Grundstückseigentümer. Damit man doch auf herzeigbare Zahlen kommt, erklärt man einfach öffentliche Straßen zu "Mountainbikestrecken". So kolportiert man in der Steiermark die stolze Zahl von 5.000 Kilometern an Mountainbikewegen, wobei jedoch nur ein einstelliger Prozentwert auf dem verläuft, was man sich als "Forststraße" vorstellt.

So ist das offizielle Angebot für die erholungssuchenden Freizeitsportler bei weitem nicht ausreichend. Für die Ausfahrt nach Feierabend oder beim Wochenendausflug ist der Großteil der 800.000 Biker darauf angewiesen, geduldet oder nicht erwischt zu werden.

Dem Tourismus nicht zuträglich

Die Nebelgranate Nummer eins ist auch für den Tourismus in Österreich schädlich. In den alpinen Nachbarländern Österreichs ist das Biken auf Wegen und Forststraßen erlaubt. Einzelne Regionen haben den Biketourismus längst als umsatzsteigernd erkannt. In St. Moritz ist man sich seit Jahren bewusst, dass es mehr Mountainbiker als Skifahrer gibt, sieht das als Chance und vermarktet sich mit einem Masterplan. Forststraßen und Wege sind selbstverständlich freigegeben. Wege, die ursprünglich für andere Zwecke gebaut wurden, werden von den Gemeinden im Engadin für Biker adaptiert. Die Millionen von europäischen Mountainbikern sind in Communitys vernetzt und wissen dies längst. Ebenso wie die Usancen in der Bikeregion Schladming. Dort gibt es zwar einen netten Bikepark für Downhiller, wer allerdings zur Abwechslung die Auffahrt zum Riesachsee auf der Forststraße wagen sollte, dem drohen Anzeigen und Klagen. Die Seminare im FAST tragen Früchte.

Der österreichische Mountainbiketourismus hat schon längst den Ruf einer "Mogelpackung". Denn eines muss klar sein: Man kann mit dem Mountainbike auch auf Asphalt fahren, gern nutzt man damit auch verkehrsarme Forststraßen, doch für 80 Prozent der Mountainbiker lacht das Herz erst, wenn sie auf einem nichtasphaltierten Weg fahren.

Legal biken, das ist ein verdammt gutes Argument für den Tourismus.

Nebelgranate Nummer zwei: Die Haftungsfrage ist ungeklärt

Die Haftungsfrage mache eine generelle Freigabe unmöglich – dieser Satz ist das "Mantra" der Gegner der Wegefreiheit für Radfahrer und stimmt dennoch nicht. Denn die Haftungsfrage ist bereits jetzt geklärt: Der Grundeigentümer oder Wegehalter haftet für Radfahrer, die auf gesperrten Wegen unterwegs sind, nur bei Vorsatz. Das Stellen von Fallen kann natürlich nie haftungsbefreiend sein.

Auf freigegebenen Wegen haftet der Eigentümer oder Wegehalter nur bei grober Fahrlässigkeit. Schlaglöcher, Steine und Felsen, vom Regen ausgewaschene Furchen, querliegende Äste können von einem Radfahrer rechtlich ebenso wenig geltend gemacht werden wie entgegenkommende Forstfahrzeuge. Im Wald gilt ebenso wie im Großstadtdschungel und auf der Landstraße für den Radfahrer: auf halbe Sicht fahren. Und wer auf einem Weg mit dem Fahrrad über eine Wurzel stürzt, hat gegen den Grundbesitzer ebenso wenig in der Hand wie ein Skifahrer, der auf einem Schneebuckel zu Sturz kommt.

Wenn wir auf der ganz sicheren Seite sein wollen: Ein kleiner Passus im Gesetz würde jede Diskussion um die Haftungsfrage überflüssig machen. Ein Blick nach Deutschland reicht. Dort wird bundesrahmenrechtlich durch § 14 Bundeswaldgesetz dezidiert festgehalten: "Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren."

Andererseits: Auf einer entgeltlich freigegeben Strecke, wie es die "vertraglichen Lösung" vorsieht, haftet der Wegehalter schon bei geringer Fahrlässigkeit. Hier müssen dann unbedingt Versicherungen abgeschlossen werden, die dann meist die Allgemeinheit trägt. Aus der Sicht der Haftungsfrage verkompliziert eine "vertragliche Lösung" die Situation für Wegehalter und den Besitzer.

Legal biken, das scheitert mit Sicherheit nicht an der Haftungsfrage.

Nebelgranate Nummer drei: Das Ökosystem Wald verträgt keine Massen an Radfahrern

Das Ökosystem verträgt derzeit ein recht buntes nebeneinander an Schwammerlsuchern, Wanderern, Jägern, Waldarbeitern, Läufern, Spaziergängern, Skifahrern und Schneeschuhwanderern. Die Mountainbiker würden das Ökosystem nicht ins Wanken bringen. Sie würden sich bei einer generellen Freigabe der Wege besser verteilen, und sie sind auch jetzt schon unterwegs. Moderouten für Wanderer und Skitourengeher und Schwammerlsucher-Hotspots gibt es bereits jetzt. Wildökologische Studien1 zeigen vor allem eines: Das Wild gewöhnt sich sehr schnell an die Frequenz auf bestehenden Wegen, und das Rad zum Verlassen von Straßen und Wegen wurde bisher nicht erfunden. Abseits von Wegen zu fahren ist für alle Mountainbiker uninteressant. Erfolgsfaktor für die Gewöhnung der Tiere ist vor allem die regelmäßige Wiederholung des Störreizes. "Deshalb können sich Wildtiere mit Wanderern und Mountainbikern arrangieren", heißt es in der Studie. Was sich von selbst verstehen sollte: Einstands-, Aufzucht -, oder Balzplätze dürfen nicht durchschritten werden. Was natürlich für Wanderer, Mountainbiker und alle anderen Waldnutzer gelten muss.

Und – so nebenbei – kommt die Studie auch zu dem Schluss: "Wegen ihrer negativen Konsequenzen gehört andererseits die Jagd nicht zu den gewöhnbaren Reizen."

Hier sind die Reize für das Wild angesprochen. Wir Biker teilen uns die Freude mit der Natur gern mit den Jägern. Wo immer Probleme auftauchen, werden wir – die Vertreter der Spaßgesellschaft am Bergradl – mit den Vertretern der Spaßgesellschaft im grünen Jeep gern über Regeln und Vorgangsweisen diskutieren. Eine gleiche Augenhöhe und plausible Argumente setzten wir voraus.

Legal biken, das bedeutet, ein ökologisch unbedenklicher Nutzer des Waldes kommt hinzu.

Nebelgranate Nummer vier: Die Wegefreiheit bedeutet einen Eingriff in das Eigentum

Ja, das ist im juristischen Sinne zweifelsohne so, seit dem Jahr 1975. Das zweifeln juristische Kommentare auch nicht an. Wer Wald besitzt, hat sein Eigentum übergeordneten Interessen unterzuordnen. Auch wer mit Jagd nichts zu tun haben will oder kann, muss seinen Wald bejagen lassen. Wald im alpinen Raum kann aus naheliegenden Gründen nicht nach Gutdünken geschlägert werden.

Das Interesse der Bevölkerung an der Natur und an der Bergwelt ist offenkundig höher zu stellen als das Eigentum an Naturraum per se. 800.000 Mountainbiker sind von diesem Interesse bisher ausgeschlossen. Ihre Forderung nach einer Freigabe der Wege und Straßen zum Radfahren schränkt Eigentumsrechte nicht weniger ein als die Wegfreiheit für Skifahrer und Wanderer.

Legal biken, das bedeutet, die Natur zu nutzen und keinem Eigentum zu schaden.

Nebelgranate Nummer fünf: Mountainbiker und Wanderer vertragen sich nicht

Die Beispiele aus bikerfreundlichen Tourismusregionen zeigen: Sie vertragen sich, Bike- und Wandertourismus harmonieren bestens. So hat zum Bespiel der kleine Ort Latsch in Südtirol in den vergangenen Jahren mehr als 100.000 Biker als Nächtigungsgäste zu den anderen Sommerfrischlern dazugewonnen. Das entspricht 30 Prozent mehr Nächtigungen. Die Radsportler danken mit der Einhaltung von Fair-Play-Regeln. Deren wichtigste: Der Mountainbiker hat gegenüber dem Fußgänger Nachrang, bergauf und bergab. Auch im alpinen Skisport tummeln sich beschauliche Anfänger und beherzte Carver auf der Piste – und der Großteil akzeptiert die Pistenregeln.

Wanderer und Mountainbiker verstehen sich überwiegend gut miteinander. Ein paar wenige Uneinsichtige, egal auf welcher Seite, können kein Argument gegen die 800.000 Mountainbiker sein. Genau so wenig werden Straßen für Autos gesperrt oder die Jagd verboten, wenn sich ein paar wenige danebenbenehmen.

Legal biken, das heißt auch: auf andere Naturnutzer Rücksicht nehmen. (Dietmar Gruber, derStandard.at, 20.4.2015)