Im Mittelmeer sind wieder Flüchtlingsboote mit Hunderten Menschen an Bord gesunken, nur wenige haben überlebt.

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Immer wenn der Motor des überladenen Angelbootes, in dem sie sieben Tage mit ihrer Familie unterwegs war, ausfiel, fingen die Wellen an, mit dem Boot zu spielen. In diesen Minuten überlegte sie, welches ihrer Kinder sie zuerst loslassen werde, wenn das Boot kentern sollte, sagte Maya Alkhechen aus Syrien. Sie war am Sonntag zu Gast bei Günther Jauch.

Dort stritten Roger Köppel, Chef der Schweizer Weltwoche, und Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung darüber, wer an tausenden Toten schuld sei. Köppel blieb angesichts weiterer 700 Männer, Frauen und Kinder, deren Namen, Biografien und Hoffnungen allein am Sonntag am Meeresgrund verschwanden, kühl. Schuld wären jene, die mehr Hilfe für Flüchtlinge fordern und "falsche Signale" senden.

Prantl war nicht kühl und nicht so pointiert wie in seinem letzten Kommentar, in dem er der EU Töten durch unterlassene Hilfeleistung vorwarf. Möglicherweise, weil er betroffen war. Das wäre normal und ein Indiz dafür, dass auch seriöse Journalisten keine Roboter sein müssen. Prantls Botschaft kam trotzdem an. Wegen ein paar Millionen Euro viele tausende Menschen sterben zu lassen: "Das ist ein Verbrechen." Er wünsche sich Botschaftsasyle, ordentliche Prüfungen vor Ort, sichere Fährverbindungen und die Aufhebung der "verdammten Visapflicht". Doch seit 25 Jahren höre er nur, Schlepperbanden müssten bekämpft werden. "Ich will, dass die Leute nicht verrecken, Herr Köppel", schloss Prantl.

Das will auch Harald Höppner. Er baute selbst ein Schiff, um Menschen zu retten, und musste als einziger Gast im Publikum sitzen. Kurz vor dem Sendungsende durfte er reden.

"Das sind Menschen"

Doch der Mann ging nicht auf Jauchs Fragen ein, sondern forderte alle zu einer Gedenkminute auf. Jauch konnte es nicht verhindern. "Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um dieser Menschen zu gedenken", sagte ein Mensch, dem angesichts der Debattiererei der Kragen geplatzt war. Später meinte er, er wolle auch nicht darüber diskutieren, ob die Ertrinkenden Flüchtlinge sind: "Das sind Menschen."

Während der Sendung überlegte irgendwo auf dem Meer eine Mutter, welches Kind sie zuerst loslassen würde. Tatsächlich ist keine Minute Zeit mehr. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 21.4.2015)