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Juha Sipilä, konservativ und wirtschaftsliberal, (rechts im Bild) wird neuer Premier.

Foto: Reuters/Lehtikuva

Äußerlich wirkt Juha Sipilä, Chef der Zentrumspartei und frischgebackener finnischer Wahlsieger, wie ein ganz normaler Durchschnittspolitiker. Hinter seiner Musterschülerfassade verbergen sich jedoch zwei Gesichter, die sich nur schwer miteinander vereinbaren lassen.

Einerseits beruht die Popularität des aus einfachen Verhältnissen in Nordwestfinnland stammenden 53-Jährigen auf seinem Image als Erfolgsmanager und Selfmade-Millionär. Sipilä studierte in Oulu Elektrotechnik, bevor er in den 1990er-Jahren mit mehreren Technologieunternehmen Karriere machte. Als er eines davon verkaufte, verdiente er damit einen zweistelligen Millionenbetrag.

Andererseits ist Sipilä aktiver Angehöriger der erzkonservativen Erweckungsbewegung der Laestadianer. Diese vor allem in Finnland, Schweden und den USA verbreitete protestantische Teilkirche zeichnet sich unter anderem durch ein hypertraditionelles Familienverständnis sowie die strikte Ablehnung von Homosexualität und Abtreibung aus.

Damit steht Sipilä in seinen Wertvorstellungen dem möglichen Koalitionspartner Timo Soini von der rechtspopulistischen "Partei der Finnen" sehr nahe, obwohl dieser paradoxerweise ein katholischer Konvertit ist.

Hilfloses Gestotter

In der Politik gilt Sipilä als eher unerfahren. Erst vor vier Jahren ins Parlament gewählt, wurde er 2012 überraschend Vorsitzender der Zentrumspartei. Mit Außenpolitik hatte Sipilä, der sich in seinem früheren Beruf vor allem für Hochfrequenz- und Holzvergasungstechnik interessierte, bisher so gut wie gar nichts am Hut, und nach der Wahl am Sonntagabend brach er für mehrere Schrecksekunden vor den TV-Kameras in hilfloses Gestotter aus.

Ansonsten entspricht Sipilä im Wesentlichen dem Klischee des wortkargen, introvertierten, aber stets ehrlichen und besonnenen Finnen. Als ihn im Februar mitten im Wahlkampf ein schwerer Schicksalsschlag traf - sein jüngster Sohn Tuomo starb völlig überraschend nach einem medizinischen Eingriff -, bat er via Twitter um Verständnis und um Ruhe von den Medien. Mit seiner Frau Minna-Maaria, mit der er seit 34 Jahren verheiratet ist, hat er vier weitere Kinder.

Um Finnland in den kommenden Jahren aus der Wirtschaftskrise zu führen, wird Sipilä seine Doktor-Jekyll-Eigenschaften als dynamischer Erfolgsmanager wohl eher benötigen als jene des rückwärtsblickend-religiösen Mister Hyde. (Andreas Stangl, DER STANDARD, 21.4.2015)