Wien - Selten, dass man bei einem Instrumentalkonzert mit Orchesterbegleitung größtenteils dem Orchester zuhört. Und wenn, dann nur ungewollt: weil das Orchester zu laut ist und den Solisten zubuttert. Das war beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Musikverein definitiv nicht so. Für die Orchestereinleitung von Brahms' Violinkonzert schien Chefdirigent Mariss Jansons Behutsamkeit als Maxime ausgegeben zu haben. Mit Wärme und Sanftheit, und doch flexibel, dynamisch und beredt, trugen die Münchener die Themen vor. Die Streicher sind zurzeit wohl das Nonplusultra im Symphonieorchestergeschäft.

Da gibt es keine Mitläufer, nur Initiative und Sensibilität. Die Münchener stellen das ideale Mittel dar zwischen der fast hyperaktiven Frische der Berliner Philharmoniker und dem konturscheuen Kollektivgeist der Wiener Philharmoniker. Traumhaft. Frank Peter Zimmermann rückte bei Brahms nicht ganz in jene olympischen Gefilde vor, die das Orchester erreichte. Er spielte vor Tagen in München erstmals auf einer Guarneri del Gesù, nachdem er die ihm vertraute Stradivari "Lady Inchiquin" an den Leihgeber, die West LB, hatte zurückgeben müssen.

Kraftvoll-ruppig

Der 50-Jährige bevorzugte das klare, oft fast etwas kühle, sachliche Musizieren, wie etwa beim Beginn des Soloparts; auch beim G-Dur Thema sehnte man sich nach einer Nuance mehr an Schwärmerei, Gefühlsseligkeit. Kraftvoll-ruppig das Thema der Schlussgruppe, stolz der Oktavenaufgang. Begeisterung, für die sich der Deutsche mit dem Allegro aus Bachs a-Moll-Solosonate bedankte. Zu bedanken hatte man sich auch für Petrouchka (Fassung 1947), Strawinskis Kasperltheater ereignete sich in all seiner Lebendigkeit und skurrilen Drastik. Jubel, zwei Zugaben: Tschaikowski (Pas de deux aus dem Nussknacker) und das Finale aus Ligetis Concert Românesc.

Die anderen bayerischen Gäste, die dann Montag an eben diesem goldenen Ort aufspielten, legten mit dem Hummelflug von Rimski-Korsakow ebenfalls zugabenmäßig Zeugnis von Geläufigkeit wie Leichtigkeit ab. Wäre nicht nötig gewesen. Das Bayerische Staatsorchester und Chefdirigent Kirill Petrenko waren schon bei Ravels La Valse nicht mit schwerfälligem Musizieren aufgefallen.

Knackig die verrückten Stellen, die zum Finale hin Oberhand erlangen; edel der Duft der harmonischen Blüten, während bei Hartmanns Gesangsszene nach Worten aus "Sodom und Gomorrha" von Jean Giradoux eher das Wuchtige dominierte. Zwischen den elegischen Monologen des wunderbaren Christian Gerhaher ließ man es diszipliniert krachen. Man hört es auch bei Berlioz' Symphonie Fantastique: In Petrenko scheint ein substanzvoller Kampf zwischen Emotion und Kontrolle im Sinne von Klarheit zu toben.

Es erscheint das "Tränematerial" des Beginns delikat-filigran. Später werden Linien aber etwas kühl umgesetzt; bei impulsiven Stellen bricht die Emotion dann aber herb hervor. Andernorts berückt aber die Transparenz bei Details. Ein Wechselbad. Petrenko ist jedoch klar ein Musiker mit Ausdruckswillen, niemals klingt etwas beiläufig. Das zählt. (end, tos, DER STANDARD, 22.4.2015)