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Auch 60 Jahre nach seinem Tod hat der Physiker Albert Einstein kaum an Strahlkraft verloren. Nach wie vor beschäftigt sich die Wissenschaft intensiv mit seinen Theorien, und auch in der breiten Öffentlichkeit gilt er unumstritten als der Popstar der Physik.

Foto: dpa /Frank Rumpenhorst

Wien - Schlechter Schüler und Genie, Flegel und Frauenheld, Rampensau und Einzelgänger - zahlreiche Klischees, die sich nicht selten widersprechen, dominieren die Wahrnehmung des unangefochtenen Popstars der Wissenschaft, dessen Tod sich am 18. April zum 60. Mal jährte: Albert Einstein. Um Leben und Werk des Physikers und seine gegenwärtige Bedeutung zu beleuchten, veranstaltete das Wissenschaftsministerium vergangenen Montag in der Aula der Akademie der Wissenschaften einen Science Talk.

Hartnäckiger Trugschluss

Zumindest die Zuschreibung des schlechten Schülers konnte der deutsche Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer rasch widerlegen: Einsteins erster Biograf, ein Deutscher, hat dies aus seinen Schweizer Zeugnissen abgeleitet, auf denen sich Fünfer und Sechser fanden - im Schweizer System ein klarer Musterschüler, aus deutscher Perspektive erschien Einstein damit als Durchfallkandidat - ein Trugschluss, der sich bis heute hartnäckig hält.

Die anderen eingangs erwähnten Klischees ließen sich in der Diskussion weniger schnell entkräften. Vor allem seine Persönlichkeit kann offenbar nicht von Widersprüchen befreit werden. So intervenierte der Pazifist beim US-Präsidenten für die Entwicklung der Atombombe. Und obwohl er privat ein "freiester Mensch" war, wie Fischer sagte, verfolgte er in der Physik streng deterministische Vorstellungen.

"Einstein hat es sich erlaubt, querzudenken und die Sachen bis zum Schluss konsequent durchzudenken", beschrieb Jochen Schieck, Direktor des Instituts für Hochenergiephysik der Akademie der Wissenschaften, die wissenschaftliche Leistung des Physikers. Sich selbst bezeichnete Schieck als "Einstein-User" - die Hochenergiephysik beruhe auch 60 Jahre nach seinem Tod ganz wesentlich auf seinen Theorien.

"Einstein war der große Meister des Staunens", charakterisierte ihn Fischer. So führte das Staunen über das Licht ihn zur Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie, die er später zur Allgemeinen Relativitätstheorie erweiterte.

Vierdimensionale Raum-Zeit

Letztere begeht heuer ebenfalls einen runden Jahrestag: Genau vor 100 Jahren stellte Einstein die Physik damit auf eine neue Basis. Gravitation wird darin als geometrische Eigenschaft der vierdimensionalen Raum-Zeit gedeutet. Wie die Theorie anschaulich zu verstehen sei, erklärte Einstein: "Früher hat man geglaubt, wenn alle Dinge aus der Welt verschwinden, so bleiben noch Raum und Zeit übrig. Nach der Relativitätstheorie verschwinden aber Raum und Zeit mit den Dingen."

Eine Woche lang soll Einstein angeblich über diese Antwort nachgedacht haben, und das passt zu einem weiteren Klischee: Genie. Der deutsche Publizist und Soziologe Detlev Claussen bezeichnete Einstein als "Prototyp des Genies". Der Geniebegriff habe sich allerdings wesentlich gewandelt und sei eine zunehmend problematische Kategorie geworden. Heute würde die Wissenschaft viel stärker von Organisationen bestimmt werden als von einzelnen Personen.

Auch die Fachbereiche der Wissenschafter werden immer enger abgesteckt. So starb mit Einstein auch einer der letzten Wissenschafter, die es sich erlaubten, neben Physik auch über Krieg und Frieden nachzudenken und zu publizieren, oder weite Fragenhorizonte zu betreten wie "Betrachtungen über die Welt als Ganzes". (Tanja Traxler, DER STANDARD, 22.4.2015)