Niamey/Wien - Im Südosten der westafrikanischen Republik Niger droht laut Hilfskräften eine Hungersnot. "50 Prozent der Menschen in der Region Diffa leiden derzeit Hunger", sagte Sabine Wilke von CARE International im Gespräch mit der APA. Die Situation habe sich außerdem durch den Zustrom von mehr als 100.000 Flüchtlingen verschärft, die bisher vor der Gewalt aus dem Nachbarland Nigeria geflohen sind.

Die deutsche CARE-Mitarbeiterin war bis Dienstag fünf Tage lang in Dörfern in dem Gebiet unterwegs. Größten Bedarf haben die Menschen nach Nahrungsmitteln und Wasser, berichtete sie nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt Niamey. Bei den Betroffenen machten sich bereits Zeichen von Mangelernährung bemerkbar.

Ernteausfälle durch Regen

Neben der generellen Lebensmittelknappheit in einem der ärmsten Länder der Welt habe es im Frühjahr im Niger nur schwache Regenfälle gegeben, das führte zu Ernteausfällen. "In Diffa gibt es tendenziell noch weniger Regen", erläuterte Wilke. CARE hilft in der Region vor allem mit der Verteilung von Getreide, Hülsenfrüchten und Speiseöl. Schwangere, stillende Mütter und Kinder bis fünf Jahre erhalten außerdem nährstoffreiche Aufbaunahrung. Auch ganze Monatsrationen werden abgegeben. Diese Verteilaktionen sah Wilke nicht nur positiv, weil damit auch eine gewisse "Abhängigkeit geschaffen wird", wie sie sagte.

Die Arbeit für die Hilfsorganisation gestaltet sich schwierig, da sich die Flüchtlinge in der Region weit ausgebreitet haben. Es gebe zwar zwei von der Regierung des Niger betreute Flüchtlingslager, dort befanden sich mit rund 2.000 Personen aber nur wenige der geflohenen Menschen. Außerdem kam es auch in Diffa zu gewalttätigen Angriffen, weshalb dort der Ausnahmezustand verhängt wurde. Im Zuge dessen wurden Fahrten mit Motorrädern verboten. Auch das schränkt die Hilfen laut Wilke ein, die Regierung sorge aber für Sicherheit.

Hütten aus Stroh

"Die Flüchtlinge leben in selbst zusammengezimmerten Hütten, teilweise aus Stroh", sagte die CARE-Mitarbeiterin. Diese halten nicht viel aus und bei der derzeit trockenen Witterung werde es darin sehr heiß. Viele Menschen kamen bei Familien in Dörfern unter. Wilke berichtete von einer Mutter mehrerer Kinder, die ihre sieben Schwägerinnen aus Nigeria mit deren Kindern bei sich aufgenommen hat. Die Frau habe plötzlich rund 40 Menschen mehr zu versorgen. Bei den Hilfsmaßnahmen sollte daher nicht auf die "großherzigen Gastfamilien" vergessen werden, hielt die Deutsche fest.

"Viele Flüchtlinge tragen auch unsichtbare Wunden in sich", betonte Wilke weiter. Ein junges Mädchen, das mit mehreren anderen Frauen in Nigeria von einer bewaffneten Gruppe festgehalten wurde, berichtete demnach von Zwangsverheiratungen der Gefangenen.

CARE hat seit der Verschärfung der Krise im vergangenen Herbst knapp 60.000 Menschen in der Region geholfen. Erst in einem Monat wird laut Wilke die Regenzeit erwartet. Die Regierung des Niger hatte am Wochenende von zweieinhalb Millionen Menschen in dem Land gesprochen, für die die Ernährung nicht mehr sichergestellt sei. 400.000 Menschen seien besonders von der Lebensmittelknappheit bedroht, warnte das Landwirtschaftsministerium. (APA, 22.4.2015)