Seine Anfänge hat Ubuntu am Desktop genommen: Schon für die erste Version bekam Softwarehersteller Canonical viel Lob, so einfach war bis dahin keine Linux-Distribution einzurichten. Eine Strategie mit der Ubuntu zwar äußerst populär wurde, ein funktionstüchtiges Geschäftsmodell konnte man rundherum allerdings nicht aufbauen. Canonical wird bis heute primär aus den Taschen von Softwaremilliardär und Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth finanziert.

Die Suche nach dem Geschäftsmodell

Dass dies auf Dauer nicht so bleiben kann, ist natürlich allen Beteiligten klar. Also machte sich das Unternehmen in den letzten Jahren zunehmend auf die Suche nach neuen Einnahmequellen. Mit Ubuntu Phone will man den Smartphone-Bereich erobern, auch aus dem Server-Bereich erhofft man sich steigende Einnahmen. Dem Desktop wurde hingegen zuletzt immer weniger Aufmerksamkeit zuteil.

Ubuntu 15.04 "Vivid Vervet"
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Nun gibt es mit Ubuntu 15.04 eine neue Version der Distribution, und diese ändert an den aktuellen Trends - so viel sei vorab verraten - nichts. Doch im Detail: Bestehende Nutzer, die auf "Vivid Vervet" aktualisieren, werden beim ersten Start vor allem das neue Wallpaper bemerken. Bei näherer Betrachtung findet sich dann aber sehr wohl die eine oder andere relevante Neuerung, allen voran die "Lokal integrierten Menüs".

Lokal statt global

Mit diesen nimmt Ubuntu eine der umstritteneren Änderungen der letzten Jahre zurück: Die globalen Menüs. Die Menü-Einträge werden nun also wieder direkt beim Fenster der betreffenden Anwendung dargestellt. Allerdings nicht mehr wie früher in einer eigenen Zeile sondern in der Titelzeile. Die zugehörigen Einträge sind dabei von Haus aus versteckt, werden also erst angezeigt, wenn der Mauszeiger an die entsprechende Stelle bewegt wird. Wer dieses Versteckspiel nicht mag, kann über die Einstellungen eine dauerhafte Anzeige forcieren. Die zuletzt favorisierte Anzeige der Menüs im Top-Panel erfolgt nur mehr bei maximierten Fenstern.

Die Menüs werden nun wieder direkt beim Fenster angezeigt.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Die Canonical-eigene Oberfläche Unity verharrt in der Version 7. Der seit längerem versprochene Sprung auf Unity 8, der die Vereinheitlichung mit der Smartphone-Variante des Betriebssystems bringen soll, fällt also erneut flach. Wie schon in den letzten Versionen können experimentierfreudige Nutzer aber Unity 8 und Canonicals X.org-Nachfolger / Wayland-Konkurrenten optional ausprobieren. Als Desktop für den Alltagseinsatz empfiehlt sich diese Wahl allerdings weiterhin nicht.

Details

Mit Ubuntu 15.04 bringt Unity also nur kleinere Anpassungen, etwa beim Timing einiger Animationen. Auch das Öffnen des HUD ist nun etwas schneller, und der Logout-Dialog sowie der Unity Dash funktionieren nun auch über Fullscreen-Fenstern. Durchaus erfreulicher Feinschliff, und doch wirkt manches hier mittlerweile ziemlich angestaubt. Selbst so augenscheinliche Usability-Defizite, wie dass nach einem Update zuerst ein GTK+-Dialog zum Reboot auffordert, nur damit danach noch ein Unity-Dialog folgt, scheinen derzeit nicht mehr behoben zu werden.

GNOME 3.14

Zumindest gibt es aber die gewohnten Fortschritte bei der Softwareausstattung: Die zahlreichen von Ubuntu genutzten GNOME-Komponenten wurden auf die Version 3.14 aktualisiert. Die neueste Version ist zwar 3.16, aber immerhin ist das Update auf GNOME 3.14 dieses Mal praktisch durchgehend. Es wurden also auch der GNOME Terminal (in der letzten Version noch in der uralten Version 3.6 enthalten) sowie der Videoplayer Totem (zuletzt 3.10) auf den aktuellsten Stand gebracht.

Als Browser kommt weiterhin Firefox zum Einsatz - hier in der Version 37.0.1
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Weitere zentrale Bestandteile der mitgelieferten Software sind Firefox 37.0.1 und LibreOffice 4.4.2.2. Die freie Office-Suite bekommt dabei unter anderem Verbesserungen beim Protokollieren der Änderungen an Textdokumenten sowie die Möglichkeit, PDFs beim Exportieren digital zu signieren. Der Kernel ist in der Version 3.19 enthalten, die aktuelle Version 4.0 ist sich hingegen nicht mehr ausgegangen.

Systemd

Die wohl wichtigste Änderung von Ubuntu 15.04 ist eine, von der die meisten Nutzer nichts zu sehen bekommen werden. Mit der neuen Release vollzieht Ubuntu den Wechsel von der Eigenentwicklung Upstart zum bei praktisch allen anderen Distributionen genutzten Systemd. Wer solche Dinge individuell über die Kommandozeile anpasst, wird sich also an neue Tools gewöhnen müssen. Eine Ausnahme bildet übrigens Ubuntu Touch, dieses verharrt vorerst auf Upstart.

Systemd übernimmt die Agenden von Upstart.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Mit Ubuntu Make betont Canonical, wen man derzeit als zentrale Zielgruppe für die eigene Distribution sieht: Entwickler. Dabei handelt es sich um den Nachfolger des Developer Tools Center, der zahlreiche Programme zur Entwicklung einfach installierbar zur Verfügung stellt. Darunter etwa Android Studio, das Android NDK sowie die Firefox Developer Edition.

Ubuntu Phone

Das bisher einzige erhältliche Smartphone mit Ubuntu Phone - das BQ Aquaris E4.5 - wurde übrigens schon von Haus aus mit einer Vorversion von Ubuntu 15.04 ausgeliefert. Ein Update auf die stabile Release soll "in den nächsten Wochen" folgen.

Alles Cloud

Der Fokus der Aufmerksamkeit des Herstellers scheint derzeit aber noch einmal wo anders zu liegen: In der Cloud. So gibt es nun die erste stabile Version des Snappy Ubuntu Core, einer besonders schlanken Version des Betriebssystems, die ganz auf den Einsatz in Cloud-Containern und für das "Internet der Dinge" ausgelegt ist.

LXD meets OpenStack

Ubuntu 15.04 wird zudem bereits mit einer Pre-Release der kommenden OpenStack-Version ausgeliefert, wohl wissend, dass sich die Distribution unter OpenStack-Nutzern hoher Beliebtheit erfreut. Dazu kommt mit LXD (Linux Container Daemon) eine eigene Container-Umgebung, die die "Geschwindigkeit und Effizienz von Docker mit den Vorteilen eines vollständigen Hypervisors verbindet", wie Canonical verspricht. Eines der Highlights ist dabei die nahtlose Integration mit OpenStack. Parallel dazu wird natürlich auch Docker selbst unterstützt, und ist in der Version 1.5 mit dabei.

Fazit

Während Ubuntu 15.04 für Server-Betreiber durchaus so manch interessante Neuerung bietet, kann die neue Release bestenfalls als Wartungs-Update für den Desktop verstanden werden. Angesichts dessen, dass dies jetzt schon mehrere Versionen hintereinander so ist, dürfte wohl klar sein, dass der Desktop für Canonical derzeit eine - weit - untergeordnete Rolle spielt. Wer mit dem schleichenden Fortschritt leben kann, bekommt hier trotzdem einen soliden Desktop geboten, auch wenn manches mittlerweile etwas angestaubt wirkt.

Ausblick

Ganz allgemein gesprochen, ist es aber natürlich durchaus verständlich, dass sich Canonical mittlerweile zunehmend auf andere Bereiche konzentriert - immerhin will man die eigenen Angestellten auch irgendwie bezahlen können. Ob man mit dieser Strategie erfolgreich ist, ist natürlich eine ganz andere Frage. Die Ausflüge in den Mobilfunkmarkt tragen bisher jedenfalls reichlich wenig Früchte. Da dürfte die Perspektive im Cloud-Bereich schon eher erfolgsversprechend zu sein. (Andreas Proschofsky, 23.4.2015)