"Einige hätten sich so etwas wohl nie angehört, wenn man sie nicht hineingestoßen hätte." Sepp Grabmeier in seinem Jazzclub in Bad Gastein.

Foto: Heribert Corn

Mit dem Snow Jazz Gastein ist das Gasteinertal zum Hotspot für Jazzliebhaber geworden. Hauptverantwortlich dafür ist Josef "Sepp" Grabmaier, der aus einem Sägewerk in Bad Hofgastein kurzerhand einen Jazzclub machte und internationale Jazzgrößen in die exotische "Pampa" einlud. Entwickelt hätte sich das alles aufgrund einer "Serie an Zufällen", sagt der 57-Jährige.

Bis 1982 wurde in dem Sägewerk noch Holz verarbeitet. Nachdem der Betrieb eingestellt worden war, wollte Sepp Grabmaier, der sich mit Bildhauerei beschäftigte, das Sägewerk zum Atelier umfunktionieren. Einige Freunde halfen ihm, das marode Dach zu reparieren. Als Dankeschön lud er alle Helfer zu einer Party in das Sägewerk ein, die Salzburger Band "Querschläger" spielte auf. Fritz Messner von Querschläger fragte den Sägewerksbesitzer, warum er nicht öfter Konzerte veranstalte.

Die Kiste in Gang gesetzt

Im Juni 2000 entdeckte Grabmaier Kontaktinformationen auf der CD des schwedischen Esbjörn Svensson Trio und probierte seinen neu errichteten Internetanschluss aus, um die Tourdaten der Band abzufragen. Am 18. November 2000 spielte die Band in München und am 20. November in Wien. "Ich dachte, es liegt ja eigentlich auf dem Weg. Ich frage da jetzt einmal", erzählt der Kulturveranstalter. Die deutsche Managementagentur bot ihm gleich eine ganze Serie an Jazzkonzerten an, so würde es günstiger kommen.

"Dann haben wir diese ganze Kiste in Gang gesetzt", sagt Grabmaier. Zusammen mit seiner Nachbarin zeichnete er im Telefonbuch alle Firmen im Gasteinertal an, die ihn unterstützen könnten. "Ich hab dort angerufen und die alle verrückt gemacht. Ich hab zu jedem gesagt, ich brauche 5000 Schilling." Innerhalb von zehn Tagen hatte er 25 Firmen, die einen Sponsorvertrag unterzeichneten. Dann gründete er den Verein "Jazz im Sägewerk". Nach der Housewarming-Party im September zählte der Verein bereits 80 Mitglieder.

Jeden Tag zehn Karten

Grabmaier, der damals als Versicherungsmakler arbeitete, nahm sich vor, jeden Tag zehn Karten zu verkaufen. Was er auch schaffte, alle Konzerte waren ausverkauft. "Ich glaube, dass viele Leute gar nicht wussten, was sie sich da kauften. Ich hab ihnen das eingeredet." Mit geschicktem Marketing lockte der Jazzliebhaber zusätzliche Besucher an. Eines der ersten Konzerte im Jazzclub war ein "Muttertagskonzert". Einige Einheimische seien mit ihren Müttern zum Konzert des österreichischen Jazzkomponisten und Posaunisten Christian Muthspiel und seinem Projekt "Motley Mothertongue" gekommen. "Da hat man zuschauen können, wie die Frisuren der Mütter zurückwandern", erinnert sich Grabmaier lachend zurück. "Es war auf alle Fälle eine bleibende Erfahrung."

Viele Besucher der ersten Konzerte kommen auch heute noch regelmäßig oder haben sogar eine Jahreskarte für den Jazzclub, in dem 200 Besucher Platz finden. "Einige hätten sich so etwas wohl nie angehört, wenn man sie nicht hineingestoßen hätte", sagt Grabmaier. Das Stammpublikum im Sägewerk sei wie eine große Familie, die sich regelmäßig treffe. Die Lage außerhalb des Ortszentrums von Bad Hofgastein trägt ihren Teil zur familiären Atmosphäre bei. "Wir operieren in der Vorstadt, also in der Pampa sozusagen", sagt der Sägewerksobmann. Für viele Jazzmusiker, etwa urbanisierte Amerikaner, sei die Pampa auch etwas Exotisches.

Drei Jahre lang führte er den Jazzclub parallel neben seinem Brotberuf als Versicherungsmakler. "Ich habe damals im Durchschnitt zwischen 100 und 120 Stunden in der Woche gearbeitet", sagt Grabmaier. Dieses Pensum wurde einfach zu viel, und er kündigte. "In meinem früheren Leben habe ich mir Voraussetzungen geschaffen, dass ich mir einen Job leisten kann, bei dem ich heute nur 30 Prozent von dem verdiene, was ich damals verdient habe. Ich hab es nie bereut."

Jazz im Winter

2001 entwickelte der Sägewerk-Geschäftsführer schließlich das Konzept für ein Jazzfestival im Winter. Als der neuer Leiter des Gasteinertal Tourismus seinen ersten Tag im Büro war, stürmte Sepp Grabmaier hinein und legte ihm das Konzept vor. Der Tourismus-Chef stimmte zu, und das Snow Jazz Gastein war geboren. Die Tourismusbetriebe der Region sowie die Gasteiner Bergbahnen sind beim Festival eingebunden, die Konzerte finden auf Skihütten oder in Hotels und Restaurants statt. Die Hotels bezahlen die Gage und beherbergen die Musiker, dafür bekommen sie die Eintrittsgelder. Die Organisation liegt beim Sägewerk. Heuer fand das internationale Jazzfestival bereits zum 14. Mal statt.

Auch im Sommer kommen Jazzliebhaber im Gasteinertal auf ihre Kosten. 2011 konzipierte der Jazzveranstalter auf Anfrage des Tourismusverbandes Bad Gastein das Open-Air-Festival "Summer Jazz in the City". Die Konzerte sind frei zugänglich, die Musik etwas breitenwirksamer und unterhaltender.

Austausch von Emotionen und Gedanken

Wie Sepp Grabmaier selbst zum Jazzliebhaber wurde? "Gestählt durch die Erziehung meines Vaters war ich gewohnt, Widerstand zu leisten. Jazz ist die Musik des Widerstandes und Aufbegehrens. Es war eine logische Schlussfolgerung, dass ich Jazz höre", sagt er. Das Genre Jazz sieht der Hobbysaxofonist auch als "Filter", der aus einer grauen Masse jene Menschen herausfiltert, denen man begegnen will. Es komme zu einem Austausch von Emotionen und Gedanken. Viele der Besucher hätten langjährige Freundschaften mit Einheimischen geschlossen. So sei im Gasteinertal eine richtige Community entstanden. Der Jazzclubbetreiber kenne selbst 90 Prozent der Besucher persönlich.

Grabmaier ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder, die ihren Lebensmittelpunkt in Wien haben. Gedanken macht sich der 57-Jährige, an wen er den Jazzclub und die Festivals einmal übergeben soll. Dafür brauche er eine Person mit einem gewissen Idealismus, die auch alles auf die Reihe bekommt, sagt er. Derzeit erledigt er alle möglichen Aufgaben, die im Jazzclub anfallen, selbst: "Ich bin Hausmeister, Tontechniker, Empfangschef, Ansager, Programmgestalter, Layouter und Webmaster in einem." (Stefanie Ruep, Rondo, 17.6.2015)