Grandiose Gemüse-Antipasti, Pizza aus Sauerteig: Der Karmelitermarkt hat einen neuen Hotspot.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Pizza im Holzofen gegart.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Kult um die Pizza begann in Wien, nachdem Maria Fuchs vor ein paar Jahren ihre Pizza Mari' in der Leopoldstadt eröffnete, worauf eine ganze Reihe authentizitätsnarrischer Neapolitaner ihre Holzöfen aus Vesuvgestein über die Alpen schleppen ließen. Dieser Kult gehört - muss einmal gesagt werden - zum Erfreulichsten, was die Hauptstadt-Gastro in den vergangenen Jahren an Trends zu verzeichnen hatte.

Lokale, die sich mit Sorgfalt auf nur eine Speise konzentrieren, erhöhen nämlich die Chance, da richtig Gutes, gut Durchdachtes auf den Teller zu bekommen - gilt für Pizza (oder Schnitzel!) ebenso wie für fein ziseliertes Sushi oder Fleischtrümmer, die nach Südstaatenmanier dem BBQ-Räucherofen überantwortet werden.

Der Stand, den der süditalienische Teigfladen zuvor in Österreich gehabt hatte, war bekanntlich ein gar schwerer. Wir erinnern uns: Dosenmais, Sauergemüse, Kantwurst, sogar Räucherspeck, stinkerte Zwiebeln und Kompottfrüchte galten bis vor gar nicht langer Zeit als akzeptierte Belagsformen - von der Blähkraft ungereiften Germteigs nicht zu reden.

Weizensauerteig

Das neue Pizzaquartier von Anita und Alessandro Perrella (Bruder Luca hat den alteingesessenen Eissalon auf der Wollzeile, Anm.) macht den Trend insofern nicht mit, als hier nach Pizzeria-Ristorante-Manier auch Pasta und Secondi angeboten werden. Nur: Die Pizza braucht sich deshalb nicht zu verstecken, im Gegenteil. Mit Marco Siani steht nämlich ein Pizzaiolo am Holzofen, der nicht nur Maria Fuchs' Eröffnung einst geschaukelt hat, sondern als Spross einer neapolitanischen Pasticciere-Dynastie über ein kostbares Gut verfügt, dass seiner Pizza auch unter Edelteigschleuderern eine Sonderstellung sichert: Lievito madre, Weizensauerteig, den er seit zehn Jahren pflegt und füttert, wie es zuvor sein Vater über Jahrzehnte gemacht hatte.

In die Pizzaquartier-Pizza kommt deshalb kein Gramm Germ. Und das will man erlebt haben: So bekömmlich, so durch und durch köstlich, wie der Fladen hier aus dem Ofen geschossen kommt, hat man ihn bislang nur ganz selten kosten dürfen. Noch dazu, wo auch die Belagsarbeit mit besonderer Sorgfalt geschieht: Paradeiser vom Vesuv, Mozzarella aus Agerola, fantastische Salsiccia aus handgeschnittenem Brät und andere Feinheiten mehr.

Pizza fritta

Was es in Wien bislang noch nicht gab, ist eine besonders abgehobene Variante der original neapolitanischen Pizza, die gerade uns Ostmitteleuropäern nicht völlig unbekannt vorkommen dürfte: Pizza fritta. Dafür wird die Pizza vor dem Garen zusammengeklappt und nicht etwa dem Ofen, sondern der Fritteuse überantwortet. Was soll man sagen: Gefüllter Langos hat noch nie so gut geschmeckt!

Die Salsiccia gibt es auch als Hauptspeise mit Cime di Rapa vulgo Friarelli, wie der köstlich bittere Stängelkohl auf Neapolitanisch heißt. Aber die Küche kann noch mehr. Scaloppine al Marsala etwa, Kalbsschnitzel in knappem, süß aromatischem Weinsaftl, neben Bistecca wohl die quintessenzielle Form italienischer Fleischeslust.

Vor allem aber ein paar Antipasti der gemüsigen Art, wie man sie sich beglückender kaum vorstellen kann: geschichtete Melanzani-Tortini etwa, unverschämt schmelzig mit frischer Provola, Basilikum, Tomaten, Wahnsinn. Oder geschmorte Artischocken mit minziger Bröselfülle, zum Hineinlegen gut. Rustikale Raffinesse dieser Art durfte man sich in Austro-Osterias bislang kaum erwarten - und wenn, dann nur ums dreifache Geld in einem gewissen Nobelrestaurant auf der Tuchlauben. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 24.4.2015)