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Schwedische Forscher haben Blutplättchen aus den Blutproben von Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom analysiert: "Wenn wir EML4-ALK in den Blutplättchen schon vor Beginn der Behandlung entdecken konnten und diese Mutation nicht während der Therapie verschwand, bedeutete das, dass der Patient nicht auf die Behandlung anspricht.", lautet das Fazit der Wissenschaftler.

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Philadelphia - Das Blut von Krebskranken könnte in Zukunft zur Bestimmung des Therapieerfolges verwendet werden - ähnlich wie Gewebeproben. Diese "Flüssig-Biopsie" lässt sich beispielsweise bei Lungenkarzinomen einsetzen. Davon sprachen Wissenschafter beim Jahreskongress der amerikanischen Krebsforscher, der von 18. bis 22 April in Philadelphia stattgefunden hatte.

Jonas Nilsson und sein Autorenteam von der Strahlenabteilung der Universität von Umea in Schweden haben Blutplättchen aus den Blutproben von 77 Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) analysiert. Dabei ging es darum, vor oder während einer Therapie mit einem Medikament der zielgerichteten Krebsbehandlung (Crizotinib) das Vorhandensein einer bestimmten Mutation (EML4-ALK) beziehungsweise deren Auftreten im Verlauf der Erkrankung zu bestimmen.

Diese genetische Mutation ist offenbar entscheidend für die Wirksamkeit des Arzneimittels. "Wenn wir EML4-ALK in den Blutplättchen schon vor Beginn der Behandlung entdecken konnten und diese Mutation nicht während der Therapie verschwand, bedeutete das, dass der Patient nicht auf die Behandlung anspricht. Dann sollten andere Behandlungsmodalitäten versucht werden", erklärt Jonas Nilsson. Bei Patienten mit der Mutation beziehungsweise dem Erwerb der Mutation als Zeichen für eine Resistenzentwicklung des Tumors verringerte sich auch die durchschnittliche Lebenserwartung auf ein Viertel jener Kranken, die dieses Merkmal nicht aufwiesen.

Die "Flüssig-Biopsie" könnte laut den Experten in Zukunft quasi als Online-Überwachungsmethode zur Wirksamkeit von Krebstherapien Verwendung finden. Bildgebende Verfahren zeigen ein Tumorwachstum erst, wenn dieses schon erfolgt ist. Gewebe-Biopsien als weitere Möglichkeit sind invasiv und für die Betroffenen belastend.

Fortschritte bei Immuntherapien gegen Krebs

Im Rahmen des Kongresses wurden auch neue Immuntherapien gegen Krebs vorgestellt. Arzneimittel wie Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab oder MPDL3280 sollen das Immunsystem der Patienten in die Lage versetzen, den Tumor zu bekämpfen. Die Therapien werden mittlerweile in Studien auch kombiniert, um einen noch besseren Effekt zu erzielen. So zeigte sich beispielsweise in einer Studie mit insgesamt 142 für eine solche Therapie geeigneten Patienten, dass eine Kombination von Nivolumab mit Ipilimumab bei 61 Prozent der Probanden mit fortgeschrittener Melanomerkrankung ein objektiv feststellbares Ansprechen auf die Behandlung brachte. Verwendete man Ipilimumab allein war das nur bei elf Prozent der Fall.

Es gibt offenbar auch Unterschiede der Wirksamkeit der verschiedenen derartigen Biotech-Medikamente. Eine Überlebensrate von 88 Prozent bei Patienten mit metastasiertem Melanom in einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren (unter Nivolumab/Ipilimumab-Kombinationstherapie; Anm.), wie sie in einer ersten kleinen Studie beobachtet worden ist, wäre vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Darauf haben erst vergangene Woche bei einem Hintergrundgespräch in Wien der Onkologe Christoph Zielinski und der Grundlagenforscher Walter Berger hingewiesen.

"Zellumsatz" und Gen-Mutationen

Krebserkrankungen sind offenbar per se ausgesprochen komplex: Viele Rahmenbedingungen für deren Entstehen lassen sich womöglich nicht beeinflussen. Anfang des Jahres hat eine Veröffentlichung des US-Biostatistikers Cristian Tomasetti und des US-Onkologen Bert Vogelstein für Aufsehen gesorgt: Demnach sind bis zu zwei Drittel der Krebserkrankungen auf - mit zunehmendem Alter der Betroffenen - in den Stammzellen anhäufende, zufällig auftretende Gen-Mutationen zurückzuführen. Je mehr "Zellumsatz" ein Organ hat, desto eher treten dort bösartige Tumore auf.

Das ist von Gewebe zu Gewebe unterschiedlich. Dies dürfte ein Grund sein, warum zum Beispiel Lungenkrebs häufiger als andere Karzinomerkrankungen ist. Schädigende Einflüsse, zum Beispiel Rauchen, potenzieren die Gefährdung noch zusätzlich. (APA, derStandard.at, 23.4.2015)