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Eine Nordkoreanerin mit Handy in Pjöngjang.

Foto: AP/Hyon

Vieles deutet daraufhin, dass das nordkoreanische Regime deutsche Überwachungstechnik innerhalb der Grenzregion zu China benützt, um illegale Telefonanrufe ins Ausland zu verfolgen. Chinesische Mobiltelefone sind für die dortige Bevölkerung die wichtigste Verbindung ins Ausland. Laut mehreren Informantenberichten sind vor allem ebenjene Produkte "made in Germany" dafür verantwortlich, dass es für Nordkoreaner immer gefährlicher werde, chinesische Handys zu verwenden.

Seit mehr als zehn Jahren werden diese bereits ins Land geschmuggelt. Händler verwenden die Handys, um den illegalen Warenhandel aus China zu koordinieren. Auch für die Nordkorea-Berichterstattung sind sie unerlässlich, um aktuelle Informationen aus erster Hand zu erhalten. Vor allem aber sind sie das einzige Medium für nordkoreanische Flüchtlinge im Exil, um den Kontakt zur zurückgebliebenen Verwandtschaft aufrecht zu halten. Das gilt natürlich nur für den Teil der Bevölkerung, der im äußersten Norden des Landes lebt, denn das Signal reicht nur mehrere Kilometer über die Landesgrenze. Um zu telefonieren, müssen die Bewohner oft kilometerweit auf abgelegene Berge nahe der chinesischen Grenze marschieren und die Anrufe alle paar Minuten unterbrechen, damit sie nicht von den Sicherheitsbeamten aufgespürt werden.

Lieferung an diktatorische Regime

Bereits 2007 berichtete die südkoreanische Online-Zeitung "Daily NK", dass die Technik zur Ortung der Mobiltelefone laut Angaben ihres Informanten von "Rohdesch" stamme. Damit kann nur der Münchner Elektronikkonzern Rohde & Schwarz gemeint sein.

Immer wieder liefern deutsche Firmen Überwachungstechnik an diktatorische Regime. Zuletzt wurde prominent darüber berichtet, wie das ägyptische Militärregime Spionagesoftware aus Deutschland verwendet, um die sozialen Netzwerke zu kontrollieren.

Die Gretchenfrage lautet natürlich: Wie landen die deutschen Überwachungsdetektoren in nordkoreanischen Händen? Christopher Green, der die englischsprachige Ausgabe von "Daily NK" verantwortet, vermutet, dass es sich dabei um einen Re-Export von chinesischen Firmen nach Nordkorea handelt. Mit Bestimmtheit könne er es jedoch nicht sagen, da die Informanten von "Daily NK" nicht ausreichend Einblick in die Handelsgeschäfte der Sicherheitsbehörden hätten.

Keine Stellungnahme der Firma

Natürlich lässt sich aber auch eine andere Möglichkeit nicht ausschließen: dass deutsche Firmen ein moralisch fragwürdiges Geschäft mit dem nordkoreanischen Regime betreiben. Die betroffene Firma Rohde & Schwarz möchte sich nicht dazu äußern, wie ihre Produkte nach Nordkorea gelangt sind. Man könne "nicht im Detail Auskunft zu unseren Exportgeschäften geben", heißt es von der Pressestelle.

Selbst wenn der Vorwurf zutreffen würde, ist es ohne genaue Kenntnis der Produkte fast unmöglich nachzuweisen, ob diese wirklich illegal ins Land eingeführt wurden. Tatsächlich gibt es einen weitreichenden Sanktionskatalog der Europäischen Union, der unter anderem den Export von Luxusprodukten und Waffenlieferungen nach Nordkorea untersagt. In vielen Bereichen öffnet die Gesetzeslage jedoch Schlupflöcher – auch bei der Funküberwachung.

Legale Exporte

Das Gros an Überwachungstechnik fällt zweifelsfrei unter die Sanktionen. Gleichzeitig gibt es aber eine ganze Reihe an Computertechnik, die zwar ursprünglich für die Abrechnung von Mobiltelefonen hergestellt wurde, jedoch auch für die Ortung von Endgeräten genutzt werden kann. Solche Geräte wären ganz legal nach Nordkorea exportierbar.

Seit 2006 geht Nordkorea bereits verstärkt gegen die illegalen Handynutzer vor. Gegen Ende des Vorjahres wurde die Überwachung entlang der Grenze entschieden ausgeweitet. So sollen auch in abgelegenen Bergregionen Wachposten und Detektoren aufgestellt und große Teile der ursprünglich chinesischen Technik durch deutsche Produkte hochgerüstet worden sein. Dutzende Streifen sind laut Informanten von "Daily NK" rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft. Vor allem nachts drehen sie ihre Runden, um Nordkoreaner auf frischer Tat bei illegalen Telefonaten zu ertappen.

Wer beim Anruf nach China erwischt wird, kommt meist mit einer Geldstrafe davon. Telefonate nach Südkorea werden ungleich härter geahndet: mit mehreren Monaten Haft im Umerziehungslager. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 24.4.2015)