Dichter Nebel von der nahen Donau dämpft das Licht der Autoscheinwerfer wie Watte, die man vor müde Lampen hält. Erst kurz hinter Melk in Fahrtrichtung Linz erhellt rechts der Westautobahn ein kräftiges Blau das nächtliche Mostviertel. Man will dem Ursprung nachgehen und nimmt die nächste Ausfahrt.

Friedensdenkmäler Erlauf von Jenny Holzer und Oleg Komov
Foto: Remigio Gazzari

Der Hauptplatz von Erlauf ist am frühen Abend menschenleer. Allein die Miniatur eines stilisierten Flakturms steht dort zwischen Blumenrabatten und schickt ihr blaues Laserlicht in den Himmel. Die US-amerikanische Konzeptkünstlerin Jenny Holzer hat diese Skulptur für die 1.000-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Melk konzipiert. In unmittelbarer Nähe steht ein zweites Denkmal, das zwei Generäle und ein Mädchen in ihrer Mitte zeigt. Es stammt vom Moskauer Künstler Oleg Komov. Enthüllt wurden die beiden Skulpturen 1995 in Erinnerung an ein vergleichsweise großes historisches Ereignis für eine so kleine Gemeinde.

General Stanley Reinhart und General Dmitri Dritschkin am 08.05.1945 in Erlauf
Foto: Erlauf Erinnert

In Erlauf trafen am 8. Mai 1945 die Truppen der USA auf jene der Sowjetunion. In der Nacht zum 9. Mai 1945 begegneten einander dabei der sowjetische General Dmitri Dritschkin und der US-amerikanische General Stanley Reinhart. Nach einem symbolträchtigen Handschlag feierten sie den um 00:01 Uhr in Kraft tretenden Waffenstillstand. Der Krieg in Österreich war beendet.

Symbolträchtig eingeschenkt

Dieses historische Treffen blieb lange von der Öffentlichkeit unbemerkt. 20 Jahre später schickten die jüdischen Emigranten Ernst Brod und Frank Schanzer eine Broschüre der US-Armee nach Österreich, die den Handschlag dokumentierte. Im Mai 1965 fand die erste offizielle Gedenkfeier in Erlauf statt: Verteidigungsminister Georg Prader enthüllte im Beisein des sowjetischen und des amerikanischen Botschafters eine Gedenktafel am Haus Scheichelbauer, in dem sich die Generäle getroffen hatten. Angeblich wurde auch symbolträchtig getrunken – Whiskey, Wodka und Veltliner.

Friedensfeier 1965 in Erlauf unter dem Motto "Wodka, Whisky und Veltliner"
Foto: Heereslichtbildstelle

Kein anderer Ort vergleichbarer Größe hat sich seither so intensiv mit den Themen Erinnerung und Kunst auseinandergesetzt. Am 9. Mai 2015 wird wohl auch deshalb das Museum "Erlauf erinnert" eröffnen. Das Haus will Zeitgeschichte mit Gegenwartskunst kombinieren und thematisiert die Entwicklung einer Erinnerungskultur wie sie zwar in Erlauf zu beobachten aber anderswo in Österreich selten ist. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, 25.4.2015)