Der Mensch hat im Laufe der Geschichte gelernt, seinen Aktions- und Kommunikationsradius stetig auszuweiten. Wollte in der Steinzeit ein Troglodyt mit einem anderen Kontakt aufnehmen, musste er ihm, wenn er freundlich gesinnt war, aus nächster Nähe auf die Schultern klopfen (oder ihn prügeln oder würgen, wenn er es nicht war).

Dann kamen etliche technische Neuerungen. Sie machten es möglich, über weitere Strecken miteinander in Beziehung zu treten: Buschtrommel, Telegrafie, Rohrpost, Telefon, Internet und last, not least die Drohne, mit der man mühelos ein paar Tausend Kilometer entfernte Leute in Grund und Boden bomben kann.

Jetzt steht ein neuer Quantensprung der Fernkommunikation bevor. Ich spreche von der Apple Watch. Dieses brandaktuelle Gerät ist mit einer Erfindung namens "Digital Touch" ausgestattet. Mit ihrer Hilfe kann man "Gesten und Berührungen" an eine andere Apple Watch versenden, sodass der Empfänger quasi von weitem her angestupst wird. Dadurch, freut sich die Illustrierte News, werde Kommunikation "intimer und persönlicher".

Das glaube ich aufs Wort. Ich spitze schon jetzt darauf, Tag und Nacht von meiner Apple Watch beim Mittagessen, in der Sauna oder auf dem Pissoir telebefummelt zu werden. Und dann erst das Händchenhalten, Streicheln, Liebkosen, Zwickerbussigeben und Fernfingerln! Es scheint so, als stünde der alte Menschheitstraum vom grenzenlosen globalen Ausgreifen unmittelbar vor der Realisierung.

Natürlich hat diese Technik auch Gefahren. Die NSA wird alles abhören und immer genau wissen, wer gerade wo die Finger drin hat. Mancher wird die Apple Watch zum Tele-Grapschen missbrauchen und ungeniert auf ferne "Pos" zugreifen. Daher dringend notwendig: eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs ("Lex Apple"), um allen Lustmölchinnen und Lustmolchen das Handwerk zu legen.

Wir man hört, wird es Apple nicht beim "Digital Touch" belassen. Der Konzern arbeitet mit Hochdruck an einem Nachfolgemodell, das mit einer leckfähigen Zunge ausgestattet ist. Dann wird eine Fellatio von Feuerland nach Feldkirch genauso wenig ein Problem sein wie ein Cunnilingus zwischen Chicago und Cuxhaven. Interner Arbeitstitel für die Zungenuhr: "Apple Blowjob." Wenn alles gutgeht, ist sie 2016 auf dem Markt. (Christoph Winder, DER STANDARD, 25.4.2015)