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Die Grünen fordern die Entlassung Gerhard Schindlers.

Foto: Reuters/Rehle

Berlin - Nach den neuen Enthüllungen im NSA-Skandal mehren sich Forderungen nach personellen Konsequenzen beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND). Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der "Bild"-Zeitung auf, BND-Chef Gerhard Schindler "sofort zu entlassen". Auch Linken-Chef Bernd Riexinger verlangte den Rücktritt Schindlers.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi schloss personelle Konsequenzen "ausdrücklich nicht aus". Die Union nahm Schindler hingegen in Schutz.

Bei den jüngsten Enthüllungen geht es um die Rolle des BND bei Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA. Nach Informationen des "Spiegel" lieferte die NSA über Jahre hinweg sogenannte Selektoren an den BND. Dabei handelte es sich unter anderem um Handynummern oder Internet-IP-Adressen, die dann vom BND zur Überwachung in verschiedenen Weltregionen eingespeist worden seien. Offenbar suchte die NSA gezielt nach Informationen etwa über den Rüstungskonzern EADS, über Eurocopter oder über französische Behörden.

"Kontrolle verloren"

Hofreiter betonte, mit einer Entlassung von Schindler dürfte die Aufklärung "nicht aufhören". Merkel müsse erklären, "warum die Bundesregierung die Kontrolle über den BND verloren hat". Auch Riexinger forderte in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitagsausgabe), die Bundesregierung müsse "endlich schonungslos offenlegen, inwieweit deutsche Geheimdienste ohne jegliche Form demokratischer Kontrolle als Handlanger der US-Geheimdienste agiert haben".

Die Regierungspartei SPD verlangte ebenfalls vom Kanzleramt Aufklärung über die Rolle des BND. "Das Kanzleramt muss jetzt mit höchster Priorität und ohne Ansehen der Person für Aufklärung vor dem Untersuchungsausschuss sorgen", erklärte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. "Sollte sich bewahrheiten, dass die NSA Wirtschaftsspionage und Spitzelei in Europa betrieben hat, muss das Konsequenzen haben."

Fahimi sagte der "Berliner Zeitung" (Wochenendausgabe), sollten sich die jüngsten Enthüllungen bestätigen, "entwickelt sich der NSA-Skandal zu einem handfesten BND-Skandal". SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann äußerte sich "entsetzt über das Ausmaß der Desorganisation". "Im BND scheint es Bereiche zu geben, in denen sich ein von Vorschriften und Rechtslage ungestörtes Eigenleben entwickelt hat", sagte Oppermann "Spiegel Online".

"Verantwortung nicht zwingend bei Amtsleitung"

Dagegen warnte der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg davor, "dass man vorschnell den Stab über BND-Chef Schindler bricht". "Die Verantwortung muss nicht zwingend bei der Amtsleitung liegen", sagte der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses "Spiegel Online". Sensburg fügte hinzu, grundsätzlich glaube er nicht, "dass der BND Steigbügelhalter für die amerikanischen Geheimdienste war". Der CDU-Politiker sprach sich aber zugleich für eine genaue Prüfung des Falls aus.

In der turnusmäßigen Regierungspressekonferenz am Freitag wollte sich Regierungssprecher Steffen Seibert nicht über eine am Donnerstag veröffentlichte Presseerklärung hinaus äußern und verwies auf "nachrichtendienstliche Vorgänge", die mit den zuständigen Kontrollgremien des Bundestags besprochen würden. Auch zur Frage nach Folgen für Schindler nahm Seibert keine Stellung. In der am Donnerstag veröffentlichten Erklärung hatte es geheißen, das Kanzleramt habe "technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert" und daher "unverzüglich Weisung erteilt, diese zu beheben". (APA, 24.4.2015)