Kärntens Exlandeschef Gerhard Dörfler zählt auf: Der Bund trägt für die Hypo viel, Kärnten beschränkt, er selbst keine Mitverantwortung für die Hypo.

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Kärntens Regierung muss beim Bund um Geld bitten. Haben Sie als Exlandeshauptmann und Exvertreter der FPÖ bzw. des BZÖ ein schlechtes Gewissen?

Dörfler: Habe ich nicht. Der fatale Beschluss der Landeshaftungen 2004 wurde von Blau und Rot gefasst. Landeshauptmann Peter Kaiser von der SPÖ spielt den Feuerwehrmann also für einen Brand, den er selbst mitgelegt hat. Die jetzige Vorgehensweise des Bundes ist jedenfalls eine Missachtung von Kärnten, ein politisches Machtspiel. Griechenland finanzieren wir, aber die Kärntner werden gedemütigt. Das lehne ich ab. Ich sehe das auch als Schwäche meines Nachfolgers: Dass er wochenlang Steuerreform in Wien verhandelt und dann wochenlang auf einen Betteltermin warten muss, obwohl seine Partei den Bundeskanzler stellt, müsste einen Riesenwirbel auslösen.

STANDARD: Sie waren ab Herbst 2008 Landeschef und fühlen sich nicht verantwortlich?

Dörfler: Ich war beim Haftungsbeschluss nicht dabei und wurde überhaupt erst bei der Verstaatlichung im Dezember 2009 in die Hypo-Sache involviert. Natürlich waren wir Blauen auch dabei, aber es gibt eine Gesamtschuld für das Hypo-Debakel, das sagen auch Griss- und Rechnungshofsbericht. Es geht um eine Verkettung fataler Fehler, Falscheinschätzungen und Gutgläubigkeit.

STANDARD: Sie haben mir aber unlängst gesagt, Kärnten könne "gar nichts" für das Hypo-Desaster. Glauben Sie das wirklich?

Dörfler: Kärnten kann nichts für die Fehlentscheidungen der BayernLB ab Mitte 2007, kann nichts für die Entwicklung nach der Verstaatlichung ab 2010.

STANDARD: Von 1896, als die Bank gegründet wurde, bis 2010 war das Land zuständig.

Dörfler: Ja. Und die Hypo war in den 1990ern schon einmal fast pleite, danach ist aus dem kranken Regionalbankhaus ein internationaler Fastriese geworden, den auch viele Ärzte nicht richtig operieren konnten. Heute ist der Patient ein Schadensfall für die ganze Republik. Kärnten hat den Keller des Problemhauses hingestellt, aber der erste Stock stammt von den Bayern und das Hochhaus drüber von der Republik, die das Problem um Milliarden vergrößert hat.

STANDARD: 2008 betrugen die Haftungen 20 Milliarden Euro, das Zehnfache des Budgets. Wann wurde Ihnen die Bedeutung der Haftungen bewusst?

Dörfler: Die Dramatik des Problems wurde mir bei der Einladung zur Sitzung am 12. Dezember 2009 vor der Verstaatlichung klar. Die Bank war 2007 ja auch mehrheitlich verkauft worden.

STANDARD: Aber ohne Haftungen.

Dörfler: Es war damals für niemanden absehbar, dass die Hypo unter den Bayern in eine derartige Schieflage geraten könnte. Und es war auch gut, dass die Hypo verkauft wurde, denn sie war für Kärnten zu groß geworden. Dass der Käufer nach einiger Zeit draufkam, dass die Bank problematisch ist, war schlimm. Finanzminister Fahrenschon hat mir vor der Verstaatlichung selbst gesagt: "Wir haben die Bank und den Markt nicht verstanden."

STANDARD: Sie waren ab 2001 in der Politik, davor 15 Jahre Volksbanker. Haben Sie Jörg Haider je gewarnt, dass die Bank zu groß ist?

Dörfler: Als ich Banker war, gab es ein Match unter den Bankkönigen, wer die größere Bilanzsumme im Ausland zusammenkriegt. Ich wurde oft angesprochen, wie toll das Wolfgang Kulterer macht. Später war die Bank nicht mein politisches Arbeitsthema. Ich war für Kinderbetreuung, Sport, Straßenbau, Verkehr, Koralmbahn zuständig. Hypo-Aktionärin war die Landesholding, wo ich keine Funktion hatte.

STANDARD: Ende 2008 hat die Hypo 900 Millionen Euro Partizipationskapital vom Staat bekommen, beantragt hatte sie 1,45 Milliarden. Anlass für Sie zum Nachdenken?

Dörfler: Damals haben alle Großbanken PS-Kapital bekommen, die Bankenaufseherin Notenbank hat die Hypo als "nicht distressed" beurteilt. Ich wurde erst skeptisch, als ich am 12. Dezember um neun Uhr per SMS von Finanzminister Josef Pröll für 14 Uhr nach Wien eingeladen wurde, weil es größere Probleme bei der Hypo gebe. Ich kam völlig uninformiert an, geriet in ein Blitzlichtgewitter, erfuhr, dass schon ein Regierungskommissär für die Bank bestellt war. Die Bayern, die ihren Ausstieg ab Mai vorbereitet hatten, haben Österreich mit der Insolvenzkeule erschlagen und dem kleinen Land den Klotz Hypo ans Bein gebunden.

STANDARD: Der Landeshauptmann: ein uninformierter, machtloser Mann?

Dörfler: Immerhin habe ich von Kärnten Schaden abgewendet. Man wollte bei der Verstaatlichung 1,2 Milliarden von uns, wir haben 200 Millionen gezahlt. Ich habe mir weder Zukunftsfonds und Kelag-Beteiligung wegnehmen noch kaputte Hypo-Beteiligungen umhängen lassen. Heute will man das Land aussackeln. Ich habe mich nicht so erniedrigen lassen, wie mein Nachfolger heute.

STANDARD: Heute ist Kärnten aber fast pleite.

Dörfler: Kärnten schwimmt nicht in Geld, aber auch andere Bundesländer haben ihr Binkerl zu tragen. Die Republik hat viele Fehler bei der Verstaatlichung gemacht, den Bayern acht Milliarden erspart. Der Bund will Kärnten mit einer Lawine zuschütten, um von den Fehlern abzulenken.

STANDARD: Fühlen Sie sich moralisch mitverantwortlich?

Dörfler: Nein. Immerhin bin ich als Sprecher der Kärntner Regierung zur Verstaatlichungsverhandlung gekommen. Ich hätte auch den zuständigen Landesholding-Aufsichtsratschef Josef Martinz von der ÖVP allein schicken können. Im Gegensatz zu Kanzler Faymann habe ich mich nicht vor dem Termin gedrückt.(INTERVIEW: Renate Graber, DER STANDARD, 25.4.2015)