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Konkurrierendes Gedenken vor monumentalen Kulissen: Blumen am Genozid-Mahnmal in Eriwan,...

Foto: Reuters / DAVID MDZINARISHVILI

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...türkische Soldaten und der britische Prinz Charles bei Gallipoli.

Foto: Reuters / OSMAN ORSAL

Istanbul/Çanakkale/Eriwan - François Hollande hat seine Rede gerade beendet, die Staatsgäste und die Kirchenmänner in ihren schwarzen Kapuzenmänteln erheben sich von ihren Sitzen auf der Tribüne der Völkermordgedenkstätte in Eriwan, um ihm zu applaudieren, als 1000 Kilometer weiter im Westen, in Istanbul, auf den türkischen Nachrichtenkanälen die Stunde der Militärhistoriker schlägt. Rot sind die Linien der osmanischen Armee, gelb jene der Alliierten, die auf Gallipoli landeten. Pfeile zeigen die Stoßrichtung der Türken; die Historiker ahmen sie nach und schieben mit beiden Händen über die Karten, um zu zeigen, wie die Angreifer in monatelangen, fürchterlichen Kämpfen an den Dardanellen zurückgeschlagen wurden.

Im Zeichen der Weltkriegsschlacht

Das war vor 100 Jahren, am 25. April 1915. Der türkische Staat hat die Gedenkfeier um einen Tag vorgezogen, damit ein anderes Jahrhundertereignis kleiner werden soll: Am 24. April 1915 ließ die Regierung der Jungtürken die führenden Personen der armenischen Gemeinschaft im damaligen Konstantinopel verhaften - der Tag gilt als Beginn des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich.

"Ein zerstörerisches Werk wollte eine Bevölkerung auslöschen, weil sie armenisch war", sagte Frankreichs Präsident Hollande am Freitag bei der Gedenkveranstaltung in Eriwan. "Dieser Hass hat fürchterliche Massaker angerichtet, aber er konnte sein Endziel nicht erreichen", fuhr Hollande fort und wandte sich direkt an seine armenischen Zuhörer: "Sie sind hier, aufrecht, am Leben."

Terror der IS

Frankreich ist nach dem Genozid zusammen mit den USA und Kanada einer der Zufluchtsorte der armenischen Diaspora geworden. Hollande verteidigte ein Gesetz der französischen Nationalversammlung von 2001, das die Verbrechen an den Armeniern als Völkermord anerkennt, und rief die türkische Führung zu weiteren "wichtigen Worten" auf, um sich der Vergangenheit zu stellen. Frankreichs Staatschef nahm den Genozid an den Armeniern auch als Anlass, ein entschiedenes Vorgehen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu fordern. Im Nahen und Mittleren Osten sei derzeit eine "methodische und systematische Auslöschung" von Minderheiten im Gange.

Nach Hollande sprach der russische Präsident Wladimir Putin; ohne dieses Mal das Wort "Völkermord" in den Mund zu nehmen, nannte er Vertreibung und Massaker an den Armeniern eine der "mörderischsten Tragödien der Menschheit". Auch die Staatschefs von Serbien und Zypern hielten bei der Gedenkveranstaltung in der armenischen Hauptstadt kurze Ansprachen.

In Istanbul liefen derweil den ganzen Tag über Gedenkveranstaltungen der armenischen Gemeinschaft. Europaminister Volkan Bozkir nahm erstmals am Gedenkgottesdienst in der Patriarchatskirche in Kumkapi teil; Patriarch Aram Atesyan verzichtete dafür auf das Wort "Genozid". Während der Messe wurde auch eine Botschaft von Staatspräsident Tayyip Erdogan verlesen. Während Erdogan am Vortag in einer Rede erklärte, die Angaben der Armenier über einen Genozid entbehrten jeder Grundlage, versicherte er nun zugleich: "Die Türen unserer Herzen sind offen für die Enkel der verstorbenen Armenier aus osmanischer Zeit".

Ehemalige Kriegsgegner

In Çanakkale an den Dardanellen gedachten Erdogan und Dutzende ausländische Staatsvertreter, darunter der britische Thronfolger Charles, am Freitag der Schlacht von Gallipoli. Vertreter der türkischen Armee und von Veteranenverbänden der ehemaligen Kriegsgegner Großbritannien, Frankreich, Australien und Neuseeland legten Kränze für die rund 130.000 Toten nieder.

Gallipoli sei eine der mörderischsten Schlachten des Ersten Weltkriegs gewesen, erinnerte Erdogan in seiner Ansprache, "ein Sieg für die türkische Nation, aber auch eine Quelle der Trauer wegen der Tausenden von Toten". Eine Botschaft an Armenien vermied Erdogan zunächst. Die Türkei hält seit 1994 die Grenzen zum Nachbarland geschlossen. Erdogan hatte den armenischen Präsidenten zur Feier in Çanakkale eingeladen. Der hatte abgelehnt. (Markus Bernath, DER STANDARD, 25.4.2015)