Knautschnase "Arya" als Welpe.

Foto: nicole rauscher

Jetzt: Die Königin des Parks.

Foto: nicole rauscher

Als Frischling in Sachen Hundehaltung war ich noch unbedarft und der Meinung, jeder wollte dem eigenen Hund ausschließlich Gutes. Schnell musste ich lernen, dass "wollen" allein selten reicht. Bei unseren kurzen Runden in Aryas Welpenzeit trafen wir manchmal eine alte Dame, die jedes Mal freudig quietschte, sobald sie uns nur von weitem sah, und extra gekaufte Leckerlis sackerlweise ins Welpinchen stopfte. Sie hätte auch gern so einen Hund, einen schokobraunen Labrador, strahlte sie bei jeder Begegnung. Sie wäre allerdings nicht mehr so gut zu Fuß, und Arya brauchte doch bestimmt viel Bewegung. Ein wenig erleichtert nickte ich. Sehr viel Bewegung.

Im Herbst zog sie dann doch ein braunes Fellknäuel hinter sich her. Der acht Wochen alte Welpe war winzig, seine Augen verklebt und die Ohren vermilbt. Arya hatte beim Einzug mit zwölf Wochen um die zehn Kilo, das struppige Etwas vor mir sah noch nicht mal nach der Hälfte aus. In den Kleinanzeigen entdeckt und gekauft von einer ganz netten Frau, mit der sie sich in der Stadt getroffen hatte. Ich schickte sie zum Tierarzt, den sie im folgenden Winter häufig brauchen würde: Parasiten, chronischer Durchfall, Futtermittelallergie, Herzfehler. Im April war ihr Budget erschöpft und Struppi im Tierheim.

"Good Will"-Hundezone

In meinem zweiten Frühling mit Hund, vergangenes Jahr, besuchte ich noch öfter die Schlammgrube in der Johnstraße, die manche mit einer gehörigen Portion "Good Will" als Hundezone bezeichnen mögen. Für (ganz) kurze Zeit kam dort auch ein junger Mann vorbei, der zwei American-Stafford-Welpen führte: ein kräftiges, braunes Mädchen mit weißen Pfötchen und einen zierlichen, weißen Rüden.

Nachdem wir ab und zu ein paar Worte gewechselt hatten, fragte er eines Tages, in welchem der beiden Hunde mehr Potenzial steckte. Ich verstand die Frage nicht: Potenzial wofür? Ehe ich antworten respektive nachhaken konnte, erklärte er, dass er nur einen behalten würde, nämlich den, der sich besser entwickelte. Er hätte ja lieber den Rüden, aber der sei so mickrig. Bevor ich die geballte Ladung entsprechender Fragen (Nochmal: Potenzial wofür? Was passiert mit dem anderen Hund? Wo hast du die zwei überhaupt her?) stellen konnte, kam ein Anruf, und unser Gespräch war zu Ende.

Albtraum tierschutzgeneigter Hundehalter

Zwei Wochen später liefen wir uns wieder über den Weg, und ich war fest entschlossen, meine Neugier zu befriedigen. Noch ehe ich allerdings dazu kam, das Thema anzuschneiden, fand ich mich plötzlich im Albtraum tierschutzgeneigter Hundehalter wieder: in einem Dialog über das Kupieren von Schwanz und Ohren, Ersteres zur optischen Verschönerung, Letzteres, weil der Kopf davon angeblich breiter würde und dem Hund ein bedrohlicheres Aussehen gäbe. "Das ist doch kompletter Blödsinn", rutschte mir ein wenig undiplomatisch raus, und natürlich wurde sofort vehement widersprochen. "Zum einen ist das Kupieren laut hiesigem Tierschutzgesetz verboten", versuchte ich es nochmal. "Der Kopf wird am ehesten wie die Schädel seiner Eltern, egal, was du ihm abschneidest." Er glaubte mir nicht. Ob er seine Meinung später geändert hat, kann ich nicht sagen, denn weder ihn noch die beiden Zwerge habe ich seither wiedergesehen.

Handtascherl-Hund

Eine in der Nachbarschaft ansässige Hundehalterin klagte mir unlängst ihr Leid: Sie habe erst vor einem halben Jahr den Pinscher von Frau Sowieso übernommen, weil diese nicht mit einem Hund zurechtgekommen sei. Eine unmögliche Frau, mit "keinerlei G’spia fürs Viech!" Jetzt hätte Frau Sowieso wieder einen Welpen, "so eine Mini-Chi-Qualzucht", ereifert sich die Nachbarin, "weil der ins Handtascherl passt". Wir einigen uns darauf, das Beste zu hoffen. Nach ein paar Wochen kläfft das Teacup-Exemplar schon an Nachbarins Leine.

"Aber wenn er groß ist, dann ..."

Letzte Woche, als Frau Hund und ich bei schönstem Wetter eine größere Runde durch den erblühenden "Fuffzehnten" drehen, treffen wir auf zwei sonnenbebrillte Burschen samt zuckersüßem Baby-Pitbull (oder American Stafford). Schwarz mit einem weißen Fleck auf der Brust. Mit dem ganzen Stolz frischer Hundebesitzer zwingen sie jedem passierenden Mensch-Hund-Team Kontakt auf. Von Haus aus dem "bösartigen Listenterrier" verfallen, lasse auch ich das geschehen, schließlich kann selbst die hartgesottenste Halterin dem Charme eines Welpen nicht widerstehen (das andere Ende der Leine interessiert nun wirklich niemanden!). Das tapsige Hundekind ist neugierig, Arya lässt sich beschnuppern.

"Wieso hat die denn solche Angst?", fragt einer der beiden.

"Sie ist nur vorsichtig", antworte ich, der Kleine könnte immerhin noch unter ihrer Brust durchlaufen.

"Recht hat sie", erklärt mir "das andere Ende der Leine". "Jetzt ist er ja erst acht Wochen alt, aber wenn der groß ist, wird er aggressiv, da muss man schon vorsichtig sein." Er sagt das nicht ohne Stolz in der Stimme.

Ich spüre, wie meine rechte Augenbraue unwillkürlich gen Himmel zuckt und mein mitleidsschwangerer Blick auf den Zwerg fällt, weil der nichts dafür kann, was ihm noch blühen wird. "Dauert aber noch ein Neichtl, bis der groß wird", sag’ ich, als ob er so Zeit gewinnen würde.

Der Wegwerfwelpe hat Saison

"Aber wenn er groß ist, dann wird er aggressiv!" Darauf besteht Herrchen, und ich frage mich, wozu in aller Welt man einen aggressiven Hund in einer Millionenstadt mit 60.000 gemeldeten Artgenossen braucht. "Bestimmt", sag’ ich resignierend und gehe weiter. Es wird etwa drei Monate dauern, bis der süße Welpe zum ersten Mal nach Ungarn oder Exjugoslawien gekarrt wird, um Teile der Ohren und/oder des Schwanzes zu verlieren, weil das in Österreich, zumindest bei nichtjagdlich geführten Hunden, aus guten Gründen (Infektionsrisiko, verminderte Ausdrucksfähigkeit, Schmerzen) verboten ist. Wahrscheinlich dauert es dann nochmal zwei Monate, bis er wegen schwerwiegender Verhaltensprobleme und anstehenden Hundeführscheins aus Rudolfsheim-Fünfhaus verschwindet und nie wieder gesehen ward. Vielleicht darf er davor noch einen "Hundekampf" im Vogelweidpark verlieren, bevor er im Tierheim oder sonst wo landet. Der Wegwerfwelpe hat wieder Saison. (Nicole Rauscher, derStandard.at, 27.4.2015)