Der angenehme Duft von Maiglöckchen liegt wieder in der Luft.

Illustration: Dennis Eriksson

"Er ist sehr schön, der 1. Mai, und die Tausenden von Bourgeois und Kleinbürgern werden es den Hunderttausenden von Proletariern gewiss gerne vergönnen, sich auch einmal das berühmte Erwachen der Natur, das alle Dichter preisen und wovon der Fabrikszwängling so wenig bemerkt, in der Nähe zu besehen." So schrieb es Victor Adler 1890 in der Arbeiter-Zeitung. Also, vamos, raus ins Grüne!

Zumindest die Wiener setzen sich dafür gern in die Öffis, und ab gehen die schaffnerlosen Wagen in Richtung Stammersdorf, Nussdorf oder Neuwaldegg. Jetzt blühen die Bäume und die Sträucher - es gibt keinen Grund, zu Hause zu bleiben.

Zu den schönsten Blühern gehört von jeher die Felsenbirne Amelanchier. Dieses zwittrige, einhäusige Rosengewächs stammt ursprünglich aus Nordamerika und wird seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa als Zierstrauch in Parkanlagen und Gärten gepflegt.

Also hinaus! Hinaus zur Perchtoldsdorfer Heide mit ihren seichtgründigen, trockenen Böden auf Dolomituntergrund, wo auf pannonischem Trockenrasen die wunderschönen Felsenbirnen stehen.

Westrand Sibiriens

Freundinnen pannonischer Halbtrockenrasen kommen auch am Bisamberg voll auf ihre Rechnung, denn dort gedeihen letzte Bestände der Zwerg-Schwertlilie Iris pumila. Sie bilden dort den Westrand eines Verbreitungsgebiets, das im Osten erst in Sibirien endet.

Am Westhang des Bisambergs gibt es weiters eine absolute Rarität zu bewundern: Der Pannonien-Pippau ist nur noch hier und vereinzelt bei Hagenbrunn zu sehen - und damit basta. Überall sonst ist er in Österreich bereits ausgestorben. Er hat es als pontisch-pannonischer Steppenwaldsaumbewohner halt nicht leicht - noch dazu, wo er doch offene Mergelböden bevorzugt.

Das Sommergrün-Immergrün ist höchstwahrscheinlich auch nur noch hier am Westhang des Bisambergs zu finden. Es hat schmälere Laubblätter als die weitverbreitete Vinca minor, die noch dazu oft schon über den Sommer verschwinden. War also ein Spaßvogel, der Namensgeber.

Mödlinger Seltenheit

Wieder zurück zur Südbahn, etwas südlich der Perchtoldsdorfer Heide: Auf dem Anninger gibt es ebenso eine Besonderheit zu beobachten. Die entzückende Mödlinger Feder-Nelke Dianthus plumarius subsp. neilreichii ist extrem gefährdet und tatsächlich ausgesprochen selten. Ihr Bestand ist sogar als Naturdenkmal ausgewiesen. Sie bildet auf nordexponierten Felsrasen und in lichten Schwarz-Föhren-Wäldern dichte hellrosige bis purpurrosige Pölster.

Mit ein bisserl Glück findet man in den lichten Laubwäldern am Stadtrand auch das hochgiftige Maiglöckchen. Dieses wird übrigens in Frankreich seit 1947 am 1. Mai am Revers getragen und als Glücksbringer verschenkt - trotz oder wegen seiner Giftigkeit? (Gregor Fauma, Rondo, 6.5.2015)