Statt Nebenfahrbahnen und Autoabstellplätzen schlägt das spanische Büro Freiraum für Fußgänger und Radfahrer vor.

Rendering: Barcelona Regional Agencia de Desenvolupament Urbá

Die Baukunst entlang des Rings werde derzeit nicht durch ihr Umfeld unterstrichen, meinen die Architekten.

Rendering: Barcelona Regional Agencia de Desenvolupament Urbá

Wien – Seit der Neugestaltung der Wiener Mariahilfer Straße reicht es meist aus, das Wort Begegnungszone nur auszusprechen, um heftige Diskussionen auszulösen. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) hütete sich am Dienstag davor, den Begriff zu verwenden. Sie sprach lieber von Begegnungsräumen, als sie ihre Vorstellungen zur Zukunft der Wiener Ringstraße formulierte.

Diese müsse nicht zwangsläufig autofrei werden, denn das Auto sei Teil des städtischen Lebens, sagte die Stadträtin. Der Ring biete aber viel Raum, den man etwa mit Pflasterung und Stadtmöbeln verschönern könnte, um aus dem Boulevard mit "europaweiter Bedeutung" eine Flaniermeile zu machen.

Ring 150+

Am 1. Mai 1865 lud Kaiser Franz Joseph zur offiziellen Eröffnung der Wiener Prachtstraße. Das Jubiläum nahm das Stadtplanungsbüro zum Anlass, um unter dem Titel "Vision Ring 150+" die Analysen und Empfehlungen zweier Architekturbüros aus Dänemark und Spanien vorzustellen.

Der aktuelle Zustand des ehemaligen Prachtboulevards sei "nicht so beeindruckend", meinen die zwei angereisten Experten, Henriette Vamberg von Gehl Architects in Kopenhagen und Marc Montilleó von Barcelona Regional. Als "schnelle, Kfz-dominierte Route" und "Transportkorridor" bezeichnen sie die Straße, auf der auch Fußgänger ständig gezwungen seien, sich fortzubewegen – was ihnen wiederum durch Ampeln und Kreuzungen erschwert werde: "Einige Schritte gehen, stehen bleiben, warten, wieder einige Schritte gehen", beschreibt Vamberg die Situation.

Qualität der Bauten zur Geltung bringen

Dem öffentlichen Raum misslinge es, die architektonische Qualität der historischen Bauwerke zu unterstreichen. Er werde von Parkplätzen, Tankstellen, Garagenzufahrten und Haltestellen dominiert. Als "ein wenig deprimierend" bezeichnet Vamberg etwa den Blick vom Ring aus in Richtung Kärntner Straße. Wenn in Reiseführern vom "schönsten Boulevard der Welt" die Rede sei, dann ginge es immer nur um die Gebäude, nie aber um den Raum, der sie umgibt.

Die Visionen der beiden Architekten sehen in erster Linie mehr Raum für Fußgänger vor. Die Flächen zwischen der Hauptfahrbahn und der Gebäudekante – also dort, wo sich jetzt Alleen, Fuß- und Radwege sowie Nebenfahrbahnen befinden – könnten zu von Radlern und Fußgängern gemischt genutzten Arealen werden. Konsumfreie Aufenthaltsorte, Gastronomieangebote oder Märkte könnten dort ebenfalls Platz finden. Montilleó plädiert auch dafür, die Aktivitäten der am Ring angesiedelten wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen nach außen, also in den öffentlichen Raum zu tragen. Auf lange Sicht empfehlen die zwei Experten, Verkehrsströme neu zu organisieren, Autos zu reduzieren und den Schwerpunkt auf Gehen, Radeln und öffentlichen Transport zu legen.

Partizipation

Dabei solle man nicht von einem "enorm großen und teuren Gesamtprojekt" ausgehen, sagte Vamberg, sondern in kleinen Schritten denken, planen und arbeiten. Bei diesem Prozess will Stadträtin Vassilakou Anrainer sowie die betroffenen Institutionen (Universität, Museen oder Theater) einbinden. Dienstagabend sollen die Ergebnisse des Architektenteams deshalb im Museumsquartier der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Dass es sich bei den Ergebnissen momentan nicht um mehr als Visionen handelt, wiederholte Vassilakou am Dienstag mehrfach. Sie seien "erste Gedanken", ein "Anstoß zu einer Debatte", von der sie durchaus erwarte, dass sie kontrovers ausfallen werde.

Neugestaltung im Regierungsübereinkommen

Am Ende des Diskussionsprozesses sollen aber "konkrete Vorstellungen stehen, wie wir die im rot-grünen Regierungsübereinkommen festgelegte Neugestaltung angehen können". Mit einzelnen Maßnahmen könnte man schon innerhalb der nächsten fünf Jahre beginnen, sofern Rot-Grün nach der Wahl im Herbst fortgesetzt wird.

"Ich gehe davon aus, dass nicht jeder eine Freude haben wird", sagte Vassilakou in Hinblick auf die Streitigkeiten beim Umbau der Mariahilfer Straße oder die Widerstände der Bezirke, wenn es darum geht, Parkplätze zu reduzieren. "Wenn wir in der Vergangenheit bei jedem Projekt die einzelnen Parkplätze gezählt hätten, wäre nie etwas verändert worden." (Christa Minkin, derStandard.at, 28.4.2015)