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Außenminister Sebastian Kurz appellierte vor der UNO an alle Staaten, ihre Atomwaffen abzuschaffen.

Foto: APA/Tatic

New York – An Warnungen vor Atomwaffen herrschte in der genau 70-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen (UN) schon bisher kein Mangel. Und auch Außenminister Sebastian Kurz machte da am Dienstag in New York keine Ausnahme. In einem Statement vor der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (NPT) forderte er nichts weniger als die Abschaffung aller Atomwaffen.

Noch immer sei die Zahl der Atomsprengköpfe viel zu hoch. Diese stellten eine "humanitäre Gefahr" für die Umwelt und die Menschheit dar. Nicht zuletzt würde jeder Atombombenangriff oder auch -unfall massive Auswirkungen auf die Anwendung des humanitären Völkerrechts haben. Einem Mantra gleich, das ja erst durch immerwährendes Rezitieren seine Wirkung entfalten soll, machte Kurz in New York beharrlich und wiederholend auf die "inakzeptablen humanitären Gefahren" aufmerksam.

Jeder Mensch ist betroffen und gefährdet

"Atomwaffen betreffen jeden einzelnen Bürger unserer vernetzten Welt", warnte Kurz. "Sie haben tiefe Auswirkungen für das Überleben der gesamten Menschheit; für unsere Umwelt; für unsere soziale und wirtschaftliche Entwicklung und für das Wohl zukünftiger Generationen." Eine zentrale Rolle spiele die Zivilgesellschaft. Sie müsse "Seite an Seite mit den Regierungen handeln, damit diese ihre Verantwortung einlösen können".

Schöne Worte, freilich, doch der Appell, an die humanitäre Gefahr von Atomwaffen zu denken, hat sich schon bisher als wenig folgenreich erwiesen – auch wenn neue Studien zeigen sollen, dass die bisherigen, noch aus dem Kalten Krieg bekannten Berechnungen und Horrorszenarien stark untertrieben waren.

Österreich als Sprachrohr für 159 Staaten

Sehr beachtlich: Das österreichische Statement wurde im Namen von 159 Staaten, des Internationalen Roten Kreuzes sowie vieler NGOs und UNO-Organisationen verlesen.

Sehr bezeichnend, leider: In der Land für Land einzeln vorgetragenen Liste kam kaum ein NATO-Partner vor. Sie unterstützten lieber einen vergleichsweise weich formulierten Text Australiens.

Am Dienstag traf Kurz auch mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Javad Zarif zusammen. Dabei betonte er, Wien stehe wieder als Gastgeber für die Iran-Atomverhandlungen zur Verfügung – so es eine finale Runde im Juni geben wird.

Vertrag nicht untergraben

Am Rande der Konferenz sprach Kurz auch mit der UN-Repräsentantin für nukleare Abrüstung, Angela Kane. Die Diplomatin warnte im Gespräch mit österreichischen Journalisten vor einer Aushöhlung bzw. Unterwanderung des NPT. Zwar stimme es, dass die Stimmung nicht gut sei und dass die Nichtnuklearstaaten starken Druck machen würden, um mehr Bewegung in Richtung tatsächlicher Abrüstung zu erreichen; aber es sei wichtig, mit dem NPT weiterzumachen. "Es gibt keine bessere Alternative."

Der Hintergrund ihres Statements: Sowohl die offiziellen Nuklearstaaten als auch die Nichtnuklearstaaten sehen es mittlerweile seit Jahrzehnten als Problem an, dass die De-facto-Nuklearstaaten Pakistan und Indien – und auch Israel, das nach wie vor den Besitz der Atombombe dementiert – nicht dem NPT beigetreten sind und sich daher auch nicht dem Regulatorium unterwerfen.

Der Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag ist formal nur für Nichtnuklearstaaten möglich, weil die Zahl der offiziellen Atomwaffenstaaten mit fünf festgeschrieben wurde: USA, Russland, Frankreich, China und Großbritannien. Die Länder Indien, Pakistan und Israel könnten also nur als Nichtatomstaaten beitreten – was nicht der Realität entspricht. Ein Dilemma, das bisher nicht gelöst werden konnte, das aber dazu führt, dass etliche Partner das Vertragswerk mittlerweile als weithin obsolet erachten.

Warnung vor Nordkorea

Ein Land mit Nuklearkapazitäten ist Nordkorea, das 2003 aus dem NPT austrat und nach eigenen Angaben 2006 erstmals erfolgreich Atombombentests durchführte. Nordkorea wird von den NPT-Staaten mit großer Sorge beobachtet.

Zwar habe Pjöngjang noch keine Technologie, um seine Bomben so weit zu verkleinern, um sie auf Raketen montieren zu können; doch Nordkoreas Kapazität im Bereich der Raketentechnologie gibt für Alexander Kmentt, Abrüstungsexperte des österreichischen Außenministeriums, Anlass zu großer Besorgnis. Da das Land aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten sei und sich daher auch nicht an die vorgeschriebenen Beschränkungen halten müsse, habe man besonders wenig Möglichkeiten der Kontrolle und Beobachtung. (Gianluca Wallisch, derStandard.at, 28.4.2015)